Unbeabsichtigt ist am Dienstag eine Strategiepräsentation für die SPÖ durch das Meinungsforschungsinstitut Sora geleakt worden. Die Unterlage war an einen falschen Verteiler geschickt worden und landete bei mehreren Medien. Weil Sora seit vielen Jahren im ORF für die Hochrechnungen zuständig ist, forderten ÖVP und FPÖ nach Bekanntwerden der Causa die Aufkündigung der Zusammenarbeit. Kurz vor 12 Uhr teilte der Österreichische Rundfunk dann per Aussendung mit, dass die Kooperation "mit sofortiger Wirkung beendet" werde.
Zwar seien die "vergangenen Hochrechnungen von Sora äußerst präzise" gewesen und es habe "niemals irgendein Indiz für eine parteipolitische Einseitigkeit gegeben, so der ORF in seiner Stellungnahme, dennoch müsse "jeglicher Anschein von Einseitigkeit unterbunden werden". Nicht ganz eineinhalb Stunden danach gab Sora den Rückzug von Ogris aus der Wahlanalyse bekannt. Diese Entscheidung habe er mit Mitgründer Christoph Hofinger "einvernehmlich" getroffen, hieß es zur APA.
42 Seiten Präsentation
Die Präsentation selbst habe Sora ohne Auftrag der SPÖ erstellt und sei von Institutsleiter Günther Ogris am Montag Parteichef Andreas Babler vorgestellt worden, teilte die SPÖ mit. Ogris bestätigte dies. Er arbeite "seit Jahrzehnten" neben seiner sozialpolitischen Forschung und Wahlforschung auch an strategischen Modellen. Bei der Präsentation handle es sich um "eine persönliche Hypothesensammlung" und eine "Vorversion einer Gesprächsunterlage".
Reaktionen
Bei dem "Papier" handelt es sich um eine Powerpoint-Präsentation von 42 Seiten, in der eine mögliche Wahlkampfstrategie für Babler sowie die SPÖ skizziert wird. Dass es keine fertige Strategie ist, geht auch daraus hervor, dass Sora hier den "Forschungsbedarf" umreißt. Unter anderem wird "Strategiearbeit" und werden Workshops, Diskursanalysen und Zielgruppenanalyse vorgeschlagen.
Drei Ziele für die Nationalratswahl
In dem Strategieentwurf werden drei Ziele für die Nationalratswahl formuliert: Die SPÖ wird stärkste Partei, die SPÖ wird stärkste Partei links der Mitte und eine Ampelmehrheit wird erreicht, um eine Regierung ohne ÖVP und FPÖ zu ermöglichen. Als Strategie soll die SPÖ demnach die "Hoffnung auf Erlösung" schüren, indem die "depressive Stimmung und Erschöpfung" betont wird und dass "die ÖVP blockiert". Das Image der Neos soll Richtung ÖVP gedrängt werden, damit sie "von der ÖVP Stimmen gewinnt und nach links Stimmen verliert".
Gleichzeitig soll das Kanzlerimage von Babler gestärkt werden. Dabei wird insbesondere auf das "Charisma der Nähe" des Traiskirchner Bürgermeisters gesetzt: "Er liebt die Menschen, er ist gern unter Menschen, er fühlt sich ihnen nahe und verbunden." Der "Story-Frame" laut dem Papier: "Liebe statt Hass = Babler statt Kickl".
Sora hat seit 1994 bei sämtlichen größeren Wahlen die Hochrechnungen für den ORF erstellt. Die Privatsender greifen an Wahlabenden auf die Analysen der Arge Wahlen zurück, die von Franz Sommer gegründet wurden. Dieser steht wiederum eng mit der ÖVP in Verbindung.
Stocker will Offenlegungen
Bei einer Pressekonferenz zu Mittag forderte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker von Sora, dass das Institut auch frühere Vertragsverhältnisse mit der SPÖ offenlegen müsse. Auch die ÖVP würde solche Vertragsverhältnisse mit Firmen offenlegen, wenn diese auch für den ORF tätig seien. Er forderte auch Transparenz vom ORF, ob dies in Compliance-Regeln abgebildet sei.
Die Klubchefin der Grünen, Sigrid Maurer, sprach am Rande des Ministerrats von einem "Alptraum, dass man etwas an den falschen Verteiler schickt". Wenn es aber zu einer Vermischung von Wahltagsbefragungen und Parteiarbeit komme, "ist das natürlich problematisch", betonte sie. Alle Parteien arbeiteten mit Umfrageinstituten zusammen, erklärte Maurer, aber dabei seien ethische Standards einzuhalten.