Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Dienstag öffentlich über das ORF-Gesetz verhandelt. Dabei stand die in der Verfassung vorgesehene Unabhängigkeit des ORF auf dem Prüfstand. Konkret beanstandete die Burgenländische Landesregierung die Zusammensetzung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat. So soll der maßgebliche Einfluss der Bundes- und Landesregierung bei der Bestellung der Mitglieder der beiden Kollegialorgane im Widerspruch zur gebotenen Unabhängigkeit stehen.
Die Richterinnen und Richter des VfGH hatten zur Klärung der Rechtssache noch Fragen an die Vertreter des Bundeskanzleramts und der Burgenländischen Landesregierung. So interessierte sie etwa, wie sich die Repräsentation der Zivilgesellschaft in einem Kollegialorgan sicherstellen lasse, ob es Mechanismen gebe, die sicherstellen, dass eine Bestellung von Stiftungsratsmitgliedern gewissen Kriterien genügt und nach welchen Kriterien entschieden wird, welcher Vorschlag einer Organisation zur Bestellung von Publikumsräten berücksichtigt wird.
"Sideletter" hätten politischen Einfluss verdeutlicht
Zunächst kam Florian Philapitsch, Leiter des burgenländischen Verfassungsdienstes, zu Wort. Er brachte vor, dass der ORF unverzichtbar sei, er aber unter politischem Einfluss stehe. Zuletzt hätten an die Öffentlichkeit gelangten "Sideletter" der türkis-grünen Regierung, die etwa die ORF-Direktorenposten nach Parteien aufteilten, das verdeutlicht.
Er brachte für die Burgenländische Landesregierung vor, dass der überwiegende Teil der Mitglieder von Stiftungs- und Publikumsrat von der Regierung bestellt werde und es dafür weder ein öffentliches Auswahl- oder Besetzungsverfahren noch die Möglichkeit gebe, Besetzungen einer unabhängigen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Auch würden Regelungen fehlen, welche die Unabhängigkeit und Qualifikation der Mitglieder ausreichend sicherstellen würden. Er schlug eine Besetzung des obersten ORF-Gremiums mit Expertinnen und Experten vor, wobei aber auf Repräsentativität Wert gelegt werden sollte.
"Wir halten die gegenwärtige Ausgestaltung für verfassungswidrig"
Zudem bemängelte er, dass im Stiftungsrat offen, anstatt geheim abgestimmt werde und beim Publikumsrat jüngst ein Mitglied auf Vorschlag einer Organisation bestellt wurde, die keinen gesetzlich vorgesehenen Dreiervorschlag einbrachte, während eine andere Organisation für den Vertretungsbereich dies sehr wohl tat. "Wir halten die gegenwärtige gesetzliche Ausgestaltung von Stiftungs- und Publikumsrat für verfassungswidrig", schloss Philapitsch seine Ausführungen.
Matthias Traimer vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts konterte die Bedenken etwa damit, dass die Zusammensetzung der ORF-Gremien ein hohes Maß an Pluralität aufweise. "Das System ist jedenfalls verfassungsrechtlich zulässig." Das ORF-Gesetz schütze speziell durch die verankerte Weisungsfreiheit die Unabhängigkeit der einzelnen Mitglieder. Auch existiere eine klare Trennung von ORF-Gremien und den redaktionellen Tätigkeiten von Journalisten, deren Unabhängigkeit sichergestellt sei. Einer externen, unabhängigen Regulierungsbehörde kommen Kompetenzen zur Wahrung der Unabhängigkeit zu, führte Traimer zudem aus.
"Freundeskreise" erleichtern Beschlussfassung im Gremium
Die Verfassungsrichter interessierte zudem, warum die Tätigkeit im Stiftungsrat ein Ehrenamt sei. Michael Kogler vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts erklärte dies damit, dass somit ausgeschlossen sei, dass Stiftungsräte die Tätigkeit womöglich aus finanziellen Überlegungen ausüben. Auch zu den parteipolitischen "Freundeskreisen" im Stiftungsrat zeigten sich die Richter interessiert. Kogler verneinte, dass es gesetzlich vorgesehen sei, dass "Freundeskreise" existieren. Es erleichtere aber die Beschlussfassung im Gremium. Philapitsch meinte, dass allein die Existenz dieser "Freundeskreise" zeige, dass der parteipolitische Einfluss auf den ORF viel zu groß sei.
Die an die öffentliche Verhandlung anschließende Beratung der Verfassungsrichterinnen und -richter ist nicht öffentlich. Wann diese über den Fall entscheiden bzw. wann die Erkenntnis veröffentlicht wird, ist offen. Am späten Vormittag war die Verhandlung noch im Gange.