Österreichs Teilnahme an der europäischen Luftabwehr-Initiative "Sky Shield" (ESSI) wird immer konkreter. Das Bundesheer wird gemeinsam mit Deutschland acht Feuereinheiten des Systems "Iris-T" beschaffen. Demnächst wird mit dem Nachbarland ein entsprechendes "Memorandum of Understanding" (MoU) unterfertigt. Das gab Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bei einem Pressegespräch am Dienstag bekannt.
Die Luftwaffenchefs der 15 Teilnehmernationen von "Sky Shield" trafen sich in der Vorwoche in Deutschland, von dem die Initiative ausgeht. Mit am Tisch saßen auch Vertreter des Rüstungskonzerns Diehl Defence, Hersteller des auch aufseiten der Ukraine "mit hohen Abschussraten" eingesetzten Raketenabwehrsystems "Iris-T". Für das Bundesheer nahm Air Chief Brigadier Gerfried Promberger an dem Meeting teil. Er konnte dabei erstmals Einblick in die konkreten Pläne der Partnernationen nehmen.
24 Raketenwerfer
"Es geht nicht nur um eine gemeinsame Beschaffung, sondern auch um gemeinschaftliches Training", erklärte Promberger am Dienstag. Das sei personalschonend. Die Idee sei die Etablierung einer europäischen "Air Defence School". Wichtig seien neben der günstigen Beschaffung der Systeme auch die Interoperabilität und die Verwendung derselben Begriffe, führte der Offizier aus.
Österreich werde insgesamt acht Feuereinheiten beschaffen, so sei es laut Promberger auch im "Aufbauplan 2032" des Bundesheeres abgebildet. Eine Feuereinheit sei modulartig aufgebaut und bestehe aus einer taktischen Einsatzzentrale, drei Launcher (Raketenwerfer) mit jeweils acht Lenkflugkörpern, einem Radarsystem und einer Materialerhaltungseinrichtung. Je vier der Systeme sollen über eine kurze Reichweite (SLS, 15 bis 20 Kilometer) bzw. mittlere Reichweite (SLM, 40 bis 50 Kilometer) verfügen. Damit werden in Summe 24 Raketenwerfer gekauft.
Kampferprobtes System
"Das ist keine Angriffswaffe, sondern eine Defensivwaffe", hielt Promberger fest. Da Österreich eine riesige Fähigkeitslücke in der bodengebundenen Luftabwehr habe, setze man auf ein erprobtes System. Dieses sei "akkurat, marktverfügbar und combat proven (kampferprobt, Anm.)", betonte der Brigadier. "Iris-T" sei auch äußerst flexibel und könne innerhalb weniger Minuten ab- und aufgebaut werden.
Der Hersteller arbeite auch schon an einer Modifikation mit Reichweiten bis zu 80 Kilometer, so Promberger. Die Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg fließen laufend in die Beurteilungen der "Sky Shield"-Partner ein.
Über die genauen Kosten für Österreich könne man derzeit noch keine Aussagen treffen, sagten Tanner und Promberger. Das sei erst nach Abschluss des Vertrages möglich. Insgesamt plant das Bundesheer mit einer Summe rund zwei Milliarden Euro für die bodengebundene Luftabwehr, darin enthalten sind aber auch die Kampfwertsteigerung bestehender Systeme und die Drohnenabwehr.
Ab 2026 in Betrieb?
Als "ambitioniert", aber gerade auch im Lichte der jüngsten Entwicklungen "machbar" bezeichnete Tanner das von ihrem deutschen Kollegen Boris Pistorius genannte Ziel, dass "Sky Shield" schon 2026 in Betrieb sein soll. Man geht davon aus, dass es ab dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung etwa ein Jahr dauert, "bis wir entsprechendes Gerät zur Verfügung haben", so Tanner. Anschließend sollen im Jahresabstand weitere Feuereinheiten in Österreich ankommen.
Das MoU soll von der deutschen Seite "in den nächsten Wochen" übermittelt und dann von Experten im Verteidigungsministerium geprüft werden, erklärte Tanner. Sie ließ durchblicken, dass es schon rund um das nächste Treffen der "Sky Shield"-Luftwaffenchefs im November unterzeichnet werden könnte.
Estland und Lettland hätten am Montag bereits ein entsprechendes MoU unterfertigt, Slowenien solle folgen. Schweden und Ägypten hätten "Iris-T" bereits im Einsatz.
Als "an den Haaren herbeigezogen" kritisierte Tanner vermeintliche neutralitätsrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit "Sky Shield". Es gebe nämlich keine Verfassungs- oder Völkerrechtsexperten, die diesbezüglich einen Zusammenhang sähen.