Von der Mutterpartei gab es Rückendeckung. Anfang der Woche hatte ein Video der Freiheitlichen Jugend (FJ) für Empörung gesorgt, Beobachter fühlten sich von Bildsprache und Rhetorik an die rechtsradikale Identitäre Bewegung erinnert, der Verfassungsschutz erstattete Anzeige. "Ich finde es großartig", sagte dagegen FPÖ-Chef Herbert Kickl über das Video.
Denn im blauen Universum halten sich Jugendorganisation und Mutterpartei gegenseitig die Stange: "Ausgezeichnet" sei das Verhältnis, heißt es von der FJ. Man wolle die Mutterpartei "mit voller Kraft unterstützen, sodass Österreich mit Herbert Kickl den Volkskanzler bekommt, den es verdient", schreibt der blaue Nachwuchs, der unter anderem den Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp, den niederösterreichischen Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer, aber auch den 2008 verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hervorgebracht hat.
"Kritischer und radikaler" als die SPÖ
Nicht alle Jugendorganisationen kommen ohne Reibereien mit der Mutterpartei aus – und wollen es auch gar nicht. Bis heute bekannt sind die provokanten "drei Fragen", die Josef Cap, damals Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ), dem burgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery auf dem Parteitag 1982 gestellt hat. Auch heute noch ist die SJ stolz auf ihre Aufmüpfigkeit gegenüber der Mutterpartei. Auch wenn die SJ Delegierte zum Parteitag entsendet, ist man formal nicht in die SPÖ eingegliedert. So sei man freier, Kritik zu üben, heißt es von der SJ, die laut Eigendefinition "kritischer und radikaler" ist als die SPÖ.
Eine Kaderschmiede ist die SJ trotzdem: SPÖ-Kanzler, wie Bruno Kreisky und Werner Faymann, haben dort ihre Wurzeln, ebenso der heutige Vorsitzende Andreas Babler und die stellvertretende Klubchefin Julia Herr. Letztere brachte ihre SJ-Vergangenheit kürzlich in Erklärungsnot: Als Herr bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Parlament fehlte, wurde sie in den sozialen Netzwerken mit einer Aussendung der SJ aus dem Jahr 2014 konfrontiert: Damals war Herr SJ-Vorsitzende und forderte ein rasches Ende der Russland-Sanktionen. Ein Fehler, meint Herr heute.
Konflikt zwischen Jung und Etabliert eskalierte bei den Grünen
Parallel dazu gibt es in der SPÖ die in die Partei eingegliederte und weniger konfrontationslustige Junge Generation (JG), der alle SPÖ-Mitglieder unter 38 angehören. Man teile eine "konstruktive Gesprächsbasis" mit der Mutterpartei und sehe sich als "progressiver Motor", so die Eigendefinition.
Eskaliert sind die Spannungen zwischen Jung und Etabliert im Jahr 2017 bei den Grünen. Nach Querelen mit der Mutterpartei flogen die Jungen aus der Partei, mit der Grünen Jugend wurde eine neue Jugendorganisation geschaffen. Abgesehen von einem Eklat mit der FJ im Jahr 2020, als die Grüne Jugend ein Foto von Hundekot zum Nationalfeiertag postete, ist es vergleichsweise ruhig um den Nachwuchs der Öko-Partei. Die in Ungnade gefallenen Jungen Grünen fusionierten dagegen mit den KPÖ-nahen Jungen Linken. Auch Kai Michael Dankl, der den Kommunisten bei der Salzburg-Wahl ein Rekordergebnis bescherte, hat seine Wurzeln in der früheren grünen Jugendorganisation.
"Wir sind nicht die JVP, die oftmals alles abnickt"
Weniger konfliktfreudig geben sich die Junos, die Jugendorganisation der Neos und erste politische Heimat des Wiener Vizebürgermeisters Christoph Wiederkehr und der EU-Mandatarin Claudia Gamon. "Wir sind weder wie die JVP, die oftmals alles abnickt, noch wie die SJ, die häufig die Mutterpartei kritisiert, noch bevor interne Diskussionen stattfinden", schreiben die Junos in einem Statement.
Die Junge Volkspartei gilt als Kaderschmiede schlechthin, insbesondere seit dem Aufstieg von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, früher JVP-Bundesobmann. Auch wenn einzelne Aktionen für Kritik sorgten – so tourte Kurz etwa 2010 mit dem "Geilomobil" durch Wien – ist man inhaltlich in der Regel mit der Mutterpartei auf einer Linie, Claudia Plakolm gleichzeitig JVP-Obfrau und Staatssekretärin. Reibungsflächen zwischen Jung und Alt bietet lediglich das Thema Pensionen.
Wer JVP-Mitglied wird, tritt auch der ÖVP bei
Auch strukturell ist die JVP eng in die Mutterpartei eingebunden. Anders als SJ, FJ und Junos, die als Vereine organisiert sind, ist die JVP einer der ÖVP-Bünde. Wer der JVP beitritt, wird auch direkt ÖVP-Mitglied. Bei den anderen Jugendorganisationen ist das nicht der Fall, auch nicht bei der Grünen Jugend, die formal eine Teilorganisation der Partei ist.
Die JVP ist mit laut eigenen Angaben rund 100.000 Mitgliedern wohl auch die größte der Organisationen. Etwa 3.200 Mitglieder hat die Grüne Jugend, 1.409 die Junos. SJ und FJ machen dazu keine Angaben, die Junge Generation nennt vage eine "fünfstellige" Anzahl von Mitgliedern.
"Der klassische Weg, ich komme jung zu einer Partei und mache dort etwas, bis ich sterbe, ist nicht die Lebensrealität der heutigen Jugend", sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Bedeutend sind die Nachwuchsorganisationen aber nach wie vor für die Parteien. "Das kann in die Richtung gehen, dass man als Mutterpartei etwas will, aber damit nicht in der Öffentlichkeit stehen will", sagt Filzmaier. Stattdessen den Jungen den Vortritt zu überlassen und sie anschließend zu unterstützen, sei ein "bequemer Doppelpass" für die Parteien. Auch, um den parteiinternen Personalbedarf zu decken, braucht es die Jugend. "Die Parteien haben ein negatives Image, da ist es schwierig, Quereinsteiger zu gewinnen", sagt Filzmaier. "Die Teilorganisationen gewinnen hier an Bedeutung."