Zehn Minuten will sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen Zeit nehmen, um eine Antwort auf die Frage zu liefern, was mitteleuropäische Staaten zu einem mutigen Europa beitragen können.
Darum geht es am heutigen Mittwoch bei den "Austria in Europe Days" beim European Forum Alpbach. Das Event findet jährlich statt, um Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Kultur und Wissenschaft zusammenzubringen und um Ideen für ein starkes Europa voranzutreiben.
"Der Klimawandel ist von der Rolle Europas nicht zu trennen"
In diesen zehn Minuten würden sieben Millionen Tonnen Eis auf den Eisflächen Grönlands und der Antarktis schmelzen. In den letzten zehn Jahren habe der Eisverlust siebenmal ein Rekordniveau erreicht. "Das Eis, das schmilzt, wird massiv zu all den klimatischen Turbulenzen beitragen, die wir auf der ganzen Welt erleben", so Van der Bellen.
Damit möchte er daran erinnern, dass alles nichts bedeute, wenn ausgeklügelte Pläne nicht in die Tat umgesetzt werden. Es ist ein Reminder an seine Zuhörer und Zuhörerinnen, dass sie jene sind, die nicht nur den Verstand haben, Lösungen zu finden, sondern auch die Fähigkeit, diese in die Tat umzusetzen.
Diese Fähigkeiten seien gefragt, wenn es um gemeinsame Vorstellungen von der Rolle Europas gehe. Der Klimawandel sei davon aber nicht zu trennen. Das sehe man auch an dem Beispiel Slowenien, wo vor ein paar Wochen zwei Drittel des Landes von den enormen Regenmengen betroffen waren. "Und plötzlich stand dieses schöne, schöne Land einer Herausforderung gegenüber, die nur durch die europäische Solidarität bewältigt werden konnte", schildert Van der Bellen.
Europa, ein Kontinent des "Und"
Die vergangenen Wochen seien ein gutes Beispiel für die Bedeutung der europäischen Idee. "Europa ist kein Kontinent des 'Entweder-oder'. Europa ist ein Kontinent des 'Und'", sagt Van der Bellen.
Denn unsere Gesellschaften seien wirtschaftlich erfolgreich und empathisch. Europäer und Europäerinnen glauben an Wissenschaft und Kunst und nutzen Verstand und Herz. Für die meisten sei die Vielfalt in Europa ein Vorteil und kein Problem.
Denn verschiedene Sprachen, Traditionen und Ideen in Europa seien nichts, das zwischen uns stehe, sondern von dem alle profitieren können. Deshalb sei die europäische Einigung die beste Idee, die wir je hatten. "Die Völker Europas haben sich zu dieser Union entschlossen als Konsequenz aus den furchtbaren Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und Jahrhunderten voller Kriege gegeneinander", so der Bundespräsident.
Europa als Vorbild für die Welt
Gemeinsam haben wir laut Van der Bellen einen langen Weg von einer egoistischen, egozentrischen und imperialistischen Haltung gegenüber der Welt und der Natur zurückgelegt. Doch wir hätten auch bewiesen, dass wir uns ändern können. "Wir alle können uns zum Besseren verändern", motiviert Van der Bellen das Publikum.
Er glaubt an ein Europa als "Role Model" für die ganze Welt. Dieses brauche es gerade in Zeiten des Nihilismus und Fatalismus mehr denn je, um zu zeigen: "Es gibt einen Weg in die Zukunft." Dieser Weg sei weder einer der Extreme noch einer des ausbeuterischen Kapitalismus. Es sei keiner der egoistischen Autokratie und keiner des blinden Nationalismus.
Van der Bellen zeichnet ein anderes Bild von dem Weg in die Zukunft. Dieser sei besonnen, gebildet, zuversichtlich und mitfühlend. Er sei aber inklusiv, feministisch, klug und bescheiden. Vor allem sei der Weg aber europäisch.
"Wir müssen Europa schützen"
An seinen Worten könne man erkennen, dass er Europa liebt und an Europa glaubt. Eine weitere Erinnerung findet Platz in der Rede Van der Bellens: "Aber wenn man etwas liebt und an etwas glaubt, muss man es auch schützen. Wir müssen Europa schützen", so Van der Bellen.
Europa brauche Schutz vor den Austrittsszenarien aus der Europäischen Union. Es gelte, die europäische Idee gegen alles zu verteidigen, was ihre Position schwächen könne. Das sei die Agenda von Populisten. Nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt.
Deshalb müsse man auch in Projekte investieren, die Europa widerstandsfähiger machen. Damit meint er die Optimierung europäischer Entscheidungsfindungsprozesse oder die Investitionen in Innovationen. "Deshalb halte ich Sky Shield für eine gute Idee", sagt der Bundespräsident.
Für Alexander Van der Bellen ist ein Europa der Zukunft die führende Kraft bei der Eindämmung des Klimawandels. Europa sei friedlich und ein Kontinent, das die Natur wertschätzt, während es keine Angst vor neuen Technologien hat. "Wir haben die besten Voraussetzungen, um alle Lösungen zu finden", ist sich Van der Bellen sicher. Weder auf dem Weg des starken Mannes noch auf dem Weg der Populisten. Sondern auf dem europäischen Weg.
Sandra Czadul