Es war eine der überraschenderen Aussagen beim "Sommergespräch" mit Herbert Kickl. Angesichts des Arbeitskräftemangels könne er es sich vorstellen, "Gastarbeiter" nach Österreich zu holen, "zeitlich begrenzt" und "nach unseren Bedürfnissen und Erfordernissen", sagte der FPÖ-Chef vor rund 715.000 TV-Zusehern – deutlich mehr als bei den bisherigen "Sommergesprächen". Sollte der Bedarf nicht mehr gegeben sein, "können die Leute wieder nach Hause gehen". Längerfristig müsse man ausreichend österreichische Arbeitskräfte ausbilden und auch für Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland attraktiver werden, so Kickl.

Es ist also keine Kehrtwende der FPÖ in Sachen Migrationspolitik, aber dennoch eine leichte Abkehr von einer dogmatischen "Festung Österreich"-Rhetorik, die die Freiheitlichen immer wieder bedienen. Denn dass die Partei um Kickl für eine weitgehende Abschottung vor irregulärer Zuwanderung einsteht, steht außer Frage. Doch auch in Sachen Arbeitsmigration waren die Blauen bisher äußerst skeptisch. Erst kürzlich übte etwa Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch scharfe Kritik am Ziel der Regierung, mehr Fachkräfte mittels Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich zu holen. "Anforderungen der Rot-Weiß-Rot-Karte werden immer weiter nach unten geschraubt und der Fachkräftemangel nimmt trotzdem nicht ab", kritisierte sie in einer Aussendung. Es steige lediglich die "Zuwanderung in unser Sozialsystem".

FPÖ sieht keine Änderung der Linie bei legaler Migration

In der FPÖ sieht man in den Äußerungen Kickls im "Sommergespräch" dennoch keine "Änderung der Linie", lediglich eine "Präzisierung", wie man betont. Als Erstes müsse man das Potenzial am eigenen Arbeitsmarkt und innerhalb der EU ausschöpfen, heißt es auch aus der Partei. Nur falls es dann immer noch Bedarf an Arbeitskräften geben sollte, könnte man auf Gastarbeiter zurückgreifen, "für eine kurze Zeit".

Auch Belakowitsch betont gegenüber der Kleinen Zeitung, dass die Zuwanderung aus Drittstaaten aus Sicht der FPÖ nur die Ultima Ratio sein dürfe, "in einem ersten Schritt müssen wir die eigenen jungen Leute motivieren, 40 Stunden zu arbeiten". Auch bleibt sie bei der Kritik an der derzeitigen Rot-Weiß-Rot-Karte und lehnt etwa Erleichterungen bei erforderlichen Sprachkenntnissen ab, wie sie vergangenes Jahr in Kraft traten. Im Punktesystem, mit dem ermittelt wird, ob jemand für den Aufenthaltstitel infrage kommt, werden seither etwa auch Spanisch- oder Französischkenntnisse positiv gewertet, auch Englischkenntnisse erfuhren eine Aufwertung.

Belakowitsch: Deutsch muss Voraussetzung sein

"Jene Menschen, die herkommen, weil sie arbeiten wollen, haben auch kein Problem damit, Deutsch zu lernen", meint die blaue Nationalratsabgeordnete. Deutschkenntnisse müssten jedenfalls eine Voraussetzung sein, nur in bestimmten Branchen – etwa im IT-Bereich – könnte auch Englisch ausreichen. Auch müssten Personen, die zum Arbeiten nach Österreich kommen, nach freiheitlichen Vorstellungen das Land wieder verlassen, wenn sie ihren Job verlieren und binnen eines halben Jahres keine neue Beschäftigung gefunden haben, erläutert Belakowitsch.

Die Unterschiede zur derzeitigen Rot-Weiß-Rot-Karte würden sich hier in Grenzen halten: Über diese Schiene können Hochqualifizierte und Arbeitskräfte in Mangelberufen aus Drittstaaten nach Österreich kommen. Normalerweise gilt die RWR-Karte für zwei Jahre und ist an einen bestimmten Arbeitgeber geknüpft. Verliert der Arbeitnehmer den Job, geht auch jetzt das Aufenthaltsrecht verloren.

Rot-Weiß-Rot-Karte wird auch jetzt bei Jobverlust aberkannt

Weniger streng sind die Regeln allerdings bei der Rot-Weiß-Rot-Karte plus: Diese können Familienangehörige von Inhabern "normaler" RWR-Karten beantragen. Auch wer binnen zwei Jahren 21 Monate mit einer RWR-Karte in Österreich gearbeitet hat, kann um eine RWR-Karte plus ansuchen. Diese gilt auch zeitlich befristet, ermöglicht aber einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Bei Arbeitslosigkeit wird das Aufenthaltsrecht nicht unmittelbar aberkannt, für eine Verlängerung muss aber ein gesicherter Lebensunterhalt nachgewiesen werden.

"Überraschend" an Kickls Aussagen findet Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle in erster Linie den gewählten Begriff "Gastarbeiter". Denn damit beziehe er sich auf ein System, das in den 1970er-Jahren nicht wie geplant funktioniert habe. "Integrationsmaßnahmen wurden vernachlässigt – aber die Menschen sind trotzdem geblieben", sagt Stainer-Hämmerle. Das Eingeständnis der FPÖ, dass Migration unter Umständen notwendig sein könnte, sieht sie auch als "Signal in Richtung Wirtschaft". Denn viele Branchen klagen über fehlende Arbeitskräfte, Rufe nach Arbeitnehmern aus dem Ausland werden lauter. "Kickl will zeigen, dass er die Probleme analysiert und nicht nur ideologiegetrieben handelt", sagt Stainer-Hämmerle.

Rauch will "Perspektive für Leben in Österreich"

Eine Absage an ein "Gastarbeiter-Modell" kam jedenfalls von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). "Qualifizierte Fachkräfte sind keine Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen, die wir nach Art von Kolonialherren für ein paar Jahre nach Österreich holen und dann wieder zurückschicken", schrieb er. Die Menschen bräuchten "eine Perspektive für ein Leben in Österreich".