Sebastian Kurz muss vor Gericht. Am Freitag hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einen Strafantrag gegen den früheren Bundeskanzler eingebracht. Der ehemalige ÖVP-Chef wird sich wegen Falschaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss verantworten müssen. In drei Punkten soll er laut Strafantrag, der der Kleinen Zeitung vorliegt, die Unwahrheit gesagt haben.
Erstens geht es um die Rolle des Ex-Kanzlers bei der Bestellung seines Vertrauten Thomas Schmid zum Vorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag. Diese ging im Jahr 2019 aus der Umwandlung der früheren Öbib in eine Aktiengesellschaft hervor. Der Vorstand solle laut Gesetz vom Aufsichtsrat bestimmt werden, für dessen Besetzung ist großteils der Finanzminister zuständig.
Er sei "eingebunden, im Sinne von informiert" gewesen, sagte Kurz im U-Ausschuss. Entschieden habe aber nicht er, sondern – wie im Gesetz vorgesehen – der Aufsichtsrat.
Kurz bestreitet, Öbag-Aufsichtsräte ausgewählt zu haben
Doch auch auf den Aufsichtsrat könne man Einfluss nehmen, merkte Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper im U-Ausschuss an. Das habe er nicht getan, betonte Kurz – der zweite Punkt, wo die WKStA eine Falschaussage ortet. Er habe zwar von Gesprächen zur Besetzung des Aufsichtsrats im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee gewusst. Doch die Personen für den Aufsichtsrat ausgewählt habe er nicht, gab Kurz an.
In einem dritten Punkt geht es darum, wie weit Kurz von einem Personalpaket für (teil-)staatlichen Unternehmen gewusst hat, das zwischen Thomas Schmid für die ÖVP und Arnold Schiefer für die FPÖ ausverhandelt wurde. Im Untersuchungsausschuss auf eine entsprechende Chatnachricht von Ex-Vizekanzler Heinz Christian Strache an den früheren Finanzminister Hartwig Löger angesprochen, sagte Kurz, er habe "keine Ahnung", um welcher Vereinbarung es gehe.
"Kriegst eh alles, was du willst"
Die WKStA bezeichnet in dem 108 Seiten langen Strafantrag Kurz’ Äußerungen in diesen drei Punkten als "tatsachenwidrig". Bei seiner Einvernahme habe Schmid gegenüber der Staatsanwaltschaft angegeben, Kurz habe ihn schon im Mai 2017 mit der Umstrukturierung der Öbib beauftragt. Damals war Kurz noch Außenminister, dass er nach der anstehenden Nationalratswahl Bundeskanzler würde, schien aber wahrscheinlich. Auch soll Kurz Schmid schon damals gesagt haben, er sehe dessen Zukunft bei der neuen Beteiligungsgesellschaft.
Die WKStA zitiert im Strafantrag mehrere Chat-Nachrichten, in denen Schmid etwa einem Freund von diesen Plänen berichtet, oder auch Kurz im Herbst 2017 an Schmid schreibt, sie müssten "über Öbib und so" reden. Auch gehe aus Nachrichten hervor, dass Schmid Kurz "als den faktischen Entscheidungsträger der Vorstandsentscheidungen" gesehen habe, heißt es im Strafantrag. Er solle ihn nicht "zu einem Vorstand ohne Mandate machen", bat Schmid etwa Kurz in einer Nachricht. "Kriegst eh alles, was du willst", schrieb dieser.
Kurz weist alle Vorwürfe zurück
Auch seine Rolle bei der Besetzung des Aufsichtsrates soll Kurz kleingeredet haben. In einem Sideletter zum Koalitionsabkommen zwischen ÖVP und FPÖ sei bereits festgeschrieben worden, dass die ÖVP die künftigen Öbag-Aufsichtsräte nominieren dürfe. Außerdem hätten Kurz und seine Mitarbeiter seit 2018 an Terminen teilgenommen, bei denen die Postenbesetzungen beredet wurden.
Sämtliche von der ÖVP nominierte Aufsichtsräte seien mit Kurz abgestimmt worden, schreibt die WKStA und zitiert abermals aus Chats: "AR macht Sebastian selber und hat 3000 Zusagen gemacht für 9 AR Jobs ;-)", schrieb Schmid etwa 2018 an Dieter Kandlhofer, damals Generalsekretär im Bundeskanzleramt, "AR" steht wohl für Aufsichtsrat.
Und auch über das von Schmid und Schiefer ausverhandelte Personalpaket habe Kurz gewusst, glaubt die WKStA. Das habe Schmid bei seiner Einvernahme bestätigt.
Kurz selbst weist alle Vorwürfe zurück, es werde "wieder einmal versucht, meine Aussagen falsch zu interpretieren". Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Der Prozess soll am 18. Oktober beginnen, ein Urteil wird am 23. Oktober erwartet.