Mit einer überraschenden Ankündigung startete FPÖ-Chef Herbert Kickl ins ORF-"Sommergespräch". Auf die Frage von Moderatorin Susanne Schnabl, ob er sich ein Leben abseits der Politik vorstellen könne, meinte er: "Vielleicht verschlägt es mich noch ins journalistische Eck. Da kann es sein, dass ich Sie zu einem Interview einlade."
"Charme eines Stasi-Verhörzimmer"
Ehe er seine Geschütze gegen die Politik, die Koalition, das System, die Eliten in Stellung brachte, sorgte Kickl für einen launigen Moment, der sich mehrfach wiederholen sollte. Nachdem er im bereits legendären Interviewzimmer der "Sommergespräche" Platz genommen hatte, meinte er: "Der Raum hat den herben Charme eines Stasi-Verhörzimmers." Um nach wenigen Augenblicken und einem Schluck Wasser hinzuzufügen: "Das schneiden'S aber nicht raus." Wiederholt äußerte er in dem voraufgezeichneten Gespräch die Sorge, dass etwas rausgeschnitten werden könnte, worauf Schnabl einmal versicherte. "Das schneiden wir auch nicht raus. Ich weiß nicht, warum sie so viel Angst haben."
Kickl will Gastarbeiter nach Österreich holen
Inhaltliche Neuigkeiten lieferte Kickl beim Arbeitskräftemangel. Mit dem Umstand konfrontiert, dass seine Gesinnungsfreunde in Italien und Ungarn auch Leute aus Drittländern ins Land holen, meinte der FPÖ-Chef, er können sich durchaus vorstellen, dass Österreich wieder auf Gastarbeiter zurückgreift: "Wenn wir den Bedarf nicht anders decken können, ist es logisch, dass wir zeitlich begrenzt nach unseren Bedürfnissen und nach unseren Vorgaben Leute ins Land zulassen." Früher habe es die Gastarbeiter gegeben, die dann wieder nach Hause zurückgegangen sind. "Das kann maximal eine Übergangssituation sein."
"Junge Leute können gendern, aber nicht schreiben"
Kickl ortete in dem Kontext noch andere Probleme. So bleibe den Österreichern zu wenig Netto vom Brutto, zum anderen leide das Bildungssystem an einer "Überakademisierung". Man müsse die Lehrpläne entrümpeln. "Die jungen Menschen können zwar gendern, aber nicht schreiben, lesen, rechnen."
DSN-Chef sei "so schwarz wie ein Kübel Ruß"
Im Laufe der knapp einstündigen Interviews lieferte Kickl einen Sager nach dem anderen – in der Hoffnung, dass er nicht rausgeschnitten wird. Der Chef des Verfassungsschutzes sei "so schwarz wie ein Kübel Ruß". Über die ÖVP, die nun blaue Positionen übernimmt: "Die sind wie die Chinesen: Wenn ihnen irgendetwas gefällt, bauen sie es in der Billigsdorfer Variante nach." Bei den Coronademos galt die Maxime: "Wird dir der Bürger unbequem, punziere ihn als rechtsextrem."
Identitäre als "eine NGO von rechts"
Die rechtsextremen Identitären bezeichnete der FPÖ-Chef einmal mehr als "NGO von rechts". Und: "Wenn die Identitäre ein politisches Projekt vorantreiben, das in Ordnung ist, warum soll ich das nicht unterstützen? Wenn Greenpeace etwas vorantreibt oder Global 2000 den Kampf gegen die Gentechnik, halte ich es auch für ein unterstützenswertes Projekt." Hier überraschte Kickl mit einer sonderbaren Interpretation des umstrittenen Konzepts der "Remigartion". Dieses beziehe sich auf Asylwerber, nicht auf Leute, die sich in Österreich integriert hätten.
Parteienförderung soll angehoben werden
Zur Teuerung meinte FPÖ-Chef Kickl: "Früher konnte eine Person eine Familie erhalten. Was ist da heute passiert?" Er könne sich einen gesetzlichen Mindestlohn vorstellen. Bei der Frage einer Nulllohnrunde überraschte Kickl mit der Mutmaßung, dass in Salzburg und Niederösterreich "die ÖVP einen koalitionären Sachzwang" auf den freiheitlichen Koalitionspartner ausübe. Noch überraschender sein Njet zum Einfrieren der Parteienförderung: "Die Leute, die dort arbeiten, sind keine Politiker, sondern normale Angestellte, die Gehälter bekommen." Nicht festlegen wollte sich Kickl vor dem Hintergrund diverser FPÖ-internen Affären in Graz oder in der Steiermark, wann ein FPÖ-Politiker zurücktreten müsse: "Es hängt von der Situation ab." Und zu seinem Vorvorgänger: "Die Ermittlungen richten sich gegen Strache, nicht gegen die FPÖ."
"Glaubenskongregation der Klimadebatte"
Zwischen den Unwettern und dem Klimawandel bestehe kein direkter Zusammenhang. Sogar der Weltklimarat, so Kickls Behauptung, vertrete diese These, um dann hinzuzufügen: "Der Weltklimarat ist die Glaubenskongregation der Klimadebatte." Andererseits: "Natürlich müssen wir die erneuerbare Energie ausbauen, aber wir dürfen es nicht über das Knie brechen." Und generell: "Es wird von oben ein Programm zur Weltrettung unter dem Aufbieten von Horrorszenarien ausgerollt, und kein Mensch, der die Suppe auslöffeln muss, wird gefragt. Das Volk wird zwangsbeglückt, besachwaltet."
Volkskanzler? "Habe da an Figl gedacht"
Er könne sich eine verpflichtende Volksabstimmung ab 250.000 Unterschriften vorstellen. Den Ausdruck Volkskanzler verteidige er: "Figl hat man als Volkskanzler bezeichnet, an den habe ich gedacht." Einen Volkskanzler zeichne dessen "totale Hinwendung zur eigenen Bevölkerung" aus.
"Vielleicht ist es einmal notwendig, aus EU auszutreten"
Zur Frage einer Volksabstimmung über einen EU-Austritt erklärte Kickl: "Es besteht jetzt keine Notwendigkeit." Um dem hinzuzufügen: "Vielleicht ist es einmal notwendig, aus der EU auszutreten." Das könne man als verantwortungsbewusster Politiker nie sagen: "Sonst würde man ein tausendjähriges Reich ausrufen."
Bundespräsident agiere "wie ein Totalitärer"
Besonders emotional wurde der FPÖ-Chef wegen Alexander Van der Bellens Weigerung, Kickl einen Regierungsbildungsauftrag zu erteilen: Der Bundespräsident agiere "wie ein Totalitärer", betreibe "eine Verschwörung gegen die Bevölkerung" und sei der Ansicht: "Ihr könnt wählen, wen ihr wollt. Wenn es dem System nicht in den Kram passt, machen wir was anders."
Kein Kickl-Verzicht bei Platz eins
Reaktionen
Spekulationen, die FPÖ könnte bei Platz eins einen anderen Politiker ins Rennen um die Kanzlerschaft schicken, erteilte Kickl eine Absage: "Das wäre Wählerbetrug." Ziel der FPÖ sei es, so stark zu sein, dass sich "eine Zweierkoalition nur mit uns ausgeht". Und generell: "Ich halte nichts von Politikern, die heute dies und morgen jenes sagen. Das sind Schauspieler. Von denen haben wir zu viele. Wir brauchen echte Persönlichkeiten, echte Typen, deshalb werde ich meine Ecken und Kanten behalten."