Die Würfel sind gefallen. Der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) muss am 18. Oktober auf der Anklagebank im Wiener Straflandesgericht Platz nehmen. Monatelang war über eine Anklage spekuliert worden, nun zitiert ihn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), mit der sich der 37-Jährige und seine Partei zahlreiche mediale Auseinandersetzungen geliefert hatte, vor Gericht.

Im 108 Seiten umfassenden Strafantrag wird Kurz vorgeworfen, als Auskunftsperson vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss – laut WKStA „wissentlich“ und „vorsätzlich“ – die Unwahrheit gesagt zu haben. Dabei ging es um Kurz’ Einfluss auf die Reform der Staatsholding ÖBIB zur ÖBAG, die Bestellung des Aufsichtsrates und die Ernennung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef, der Kurz im Ausschuss heruntergespielt hatte.

WKStA will keine Diversion, Nachweis knifflig

Für die WKStA stehen die Aussagen im Widerspruch zu sichergestellten Chatverläufen. Kurz habe damit den auch von ihm stets kritisierten Eindruck des politischen Postenschachers vermeiden wollen. Dem früheren Kanzler drohen damit bis zu drei Jahre Haft, eine mögliche Diversion ohne Verurteilung lehnt die WKStA in ihrem Strafantrag ab – „mangels Verantwortungsübernahme“. Der Nachweis einer „falschen Beweisaussage“ inklusive eines zumindest bedingten Vorsatzes kann laut Rechtsexperten in der Praxis jedoch knifflig werden.

Neben Kurz sind auch dessen langjähriger Vertrauter und unter ihm und Nachfolger Alexander Schallenberg als Kabinettschef im Bundeskanzleramt tätig gewesene Bernhard Bonelli und Bettina Glatz-Kremsner angeklagt, die frühere ÖVP-Vizeparteichefin, Generaldirektorin der Casinos Austria und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien. Bonelli wird ebenfalls eine falsche Zeugenaussage zur Last gelegt, Glatz-Kremsner soll vor dem U-Ausschuss und bei ihrer Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren zur Bestellung eines Vorstandsmitgliedes der Casinos Austria AG falsch ausgesagt haben.

Sebastian Kurz: Vom "Basti Fantasti" zum "Schwarzen Messias"

Richter ermittelte gegen Grasser

Alle drei Angeklagten, für die die Unschuldsvermutung gilt, müssen im Herbst vor Richter Michael Radastzics Platz nehmen, der in seiner Karriere schon gegen Karl-Heinz Grasser ermittelte und mit der Causa Eurofighter befasst war. Dass die Anklage vom Justizministerium abgesegnet wurde, wo die Grünen das Sagen haben, dürfte dem koalitionären Frieden indes wenig dienlich sein.

Kurz bezeichnete die Vorwürfe via Twitter (X) erneut als „falsch“, „wir freuen uns darauf, wenn nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt“. Zudem holte er gegen die WKStA aus, die dafür verantwortlich sei, „dass die Medien einmal mehr vor den Betroffenen über den Verfahrensstand informiert sind“.

Für Kurz’ Kanzler-Nachfolger Karl Nehammer (ÖVP) bestehe nun „endlich die Möglichkeit der Aufklärung“. Für die Grünen zeigt sich hingegen: „Die Justiz arbeitet ohne Ansehen der Person und ermittelt unabhängig“. Die SPÖ sieht das „System Kurz“ noch intakt, die FPÖ „nur die Spitze des Eisberges“. Die Neos wollen die Justiz „in Ruhe arbeiten lassen“.

Weitere Vorwürfe gegen Kurz

Gegen Kurz stehen aber noch weitere Vorwürfe im Raum. In der „Umfragen-Affäre“ soll er vom sogenannten „Beinschab-Österreich-Tool“, bei dem mit Mitteln des Finanzministeriums teils frisierte Umfragen in Medien der „Österreich“-Gruppe veröffentlicht worden seien, nicht nur gewusst, sondern dieses auch in Auftrag gegeben haben. Ausgeführt soll das Vorhaben über damalige Mitarbeiter von Kurz worden seien, auch sie werden beschuldigt. Schwer belastet wurde Kurz in dieser Sache von seinem ehemaligen Vertrauten Thomas Schmid.

Die Verhandlung zur Causa Falschaussage ist für drei Tage anberaumt, am 23. Oktober sollen die Urteile fallen.