Tirols LH Anton Mattle (ÖVP) geht in Sachen FPÖ einen Schritt weiter als die ÖVP-Bundespartei und sonstige Spitzenvertreter der Volkspartei: Er lehne nicht nur eine Koalition mit der FPÖ unter Beteiligung von Parteichef Herbert Kickl ab, sondern auch bei Beibehaltung des blauen Parteiprogrammes, sagte Mattle im APA-Interview und schob den Freiheitlichen einen gänzlichen Riegel vor. Stattdessen präferierte er offenbar eine Koalition mit der SPÖ: "Das wäre ein gangbarer Weg."
Klares Statement
"Eine Koalition mit diesem FPÖ-Bundesparteiobmann und diesem Parteiprogramm, das aufliegt, ist mit meiner politischen Wertehaltung nicht in Verbindung zu bringen und lehne ich ab", erklärte Mattle. Auf die Frage, ob er auch in den ÖVP-Bundesgremien nach der kommenden Nationalratswahl, wenn eine derartige Koalitionsfrage zur Abstimmung kommen sollte, entsprechend votieren werde, antwortete der Landeshauptmann: "Ich habe bereits bewiesen, dass, wenn ich etwas gesagt habe, dies dann auch später gegolten hat." Mattle spielte dabei auf seine im vergangenen Landtagswahlkampf getätigte Ansage an, in Tirol keine Koalition mit der Landes-FPÖ einzugehen. "Die FPÖ polarisiert nur und trägt mit dieser Polarisierung zur Spaltung der Gesellschaft bei", ließ Mattle wissen: "Das kann ich nicht unterstützen."
Im FPÖ-Parteiprogramm ist Mattle laut eigenen Angaben vieles ein Dorn im Auge. Als wesentlich nannte er exemplarisch die Sicherheitspolitik und dabei besonders die blaue Ablehnung des Raketenschutzschirm-Programmes "Sky Shield": "Sicherheit im Sinne einer militärischen Neutralität ist sehr wichtig. Die FPÖ-Politik ist eine, die gegen die Sicherheit Österreichs gerichtet ist." Es gehe ihm um die eigene Wertehaltung und jener der Volkspartei. Darüber hinaus gebe es viele weitere Themen, die ihn zu seiner Haltung veranlassten, so Mattle: "Die von der FPÖ vorangetriebene Zurückzahlung von Corona-Strafen zum Beispiel. Ich halte das für demokratiepolitisch bedenklich, schließlich wurden die damaligen Maßnahmen mit einer Mehrheit beschlossen."
Einiges kann der Landeshauptmann hingegen mit einer möglichen Neuauflage der ehemals "Großen Koalition" aus ÖVP und SPÖ anfangen. "Ich kann dem durchaus etwas abgewinnen. Das wäre ein gangbarer Weg im Sinne einer Politik der Mitte", so Mattle, der seit vergangenem Oktober im Land mit der SPÖ regiert. Politischen Änderungsbedarf mahnte Mattle aber bei SPÖ-Chef Andreas Babler ein: "Der Vorsitzende braucht noch Einarbeitungszeit. Er muss von extrem linken Positionen abweichen."
Merklich reserviert stand Mattle der in den vergangene Wochen von der ÖVP heftig befeuerten und initiierten "Normalitätsdebatte" gegenüber. "Vielleicht tut es der Gesellschaft gut, wenn sie auch über solche Dinge diskutieren kann. In der eigentlichen politischen Arbeit wird sie uns nicht weiterbringen", meinte der Landeshauptmann. "Normalität ist für mich auch die Vielfalt. Damit werden wir leben. Wenn man sich die 'Gesellschaft der Mitte' anschaut, dann ist diese eine vielfältige Gesellschaft", schlug Mattle durchaus andere Töne an als etwa Bundeskanzler und Bundesparteiobmann Karl Nehammer sowie Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Auch der von Mikl-Leitner geprägten "schweigenden Mehrheit", der man eine Stimme geben müsse, kann Tirols Landeschef nicht viel abgewinnen: "Ich glaube nicht, dass es eine 'schweigende Mehrheit' gibt. Jeder hat die Möglichkeit, bei einer Wahl seine Stimme abzugeben - das bedeutet nicht, dass man schweigt." Sehr wohl sah Mattle aber eine extreme Polarisierung in der Gesellschaft: "Ich lehne linke und rechte Extreme ab. Es braucht eine 'Politik der Mitte'. Diese hat in Österreich zu sozialer Sicherheit und Wohlstand geführt." Und für diese "Politik der Mitte" stehe die Volkspartei und müsse sie auch stehen.
Kurz-Comeback "unwahrscheinlich"
Nehammer sei als Parteiobmann jedenfalls unbestritten und werde die Partei auch in die kommende Nationalratswahl führen. Ein mögliches Comeback von Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz sah Mattle nicht am Horizont: "Ich halte das für sehr unwahrscheinlich." Dass die Koalition mit den Grünen bis zum planmäßigen Wahltermin im kommenden Jahre halten werde, davon zeigte sich Mattle überzeugt.
Gefragt, ob der parteiintern sehr umstrittene EU-Abgeordnete Othmar Karas wieder Spitzenkandidat der ÖVP bei der EU-Wahl im kommenden Frühjahr werden soll, antwortete der Landeshauptmann ebenfalls sehr reserviert bzw. ausweichend: "Es stimmt, dass Karas sehr umstritten ist. Ich setze mich jedenfalls dafür ein, dass unsere Tiroler Abgeordnete Barbara Thaler an wählbare Stelle gereiht wird."
Beim derzeitigen Bund-Länder-Thema Nummer eins, den Verhandlungen zum Finanzausgleich, sprach sich Mattle gegen eine Verfassungsklage aus, wie sie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ins Spiel gebracht hatte. "Von Drohgebärden halte ich aktuell definitiv nichts", so Mattle deutlich. Er sei überzeugt davon, dass es zu einer Einigung kommen werde und der bestehende Finanzausgleich nicht fortgeschrieben werden müsse. "Die zehn Milliarden Euro auf fünf Jahre, die vom Bund angeboten wurden, sind definitiv zu wenig, um die Qualität in Gesundheit, Pflege und Bildung zu halten. Vielleicht müssen und werden es 17 Milliarden frisches Geld sein." Das momentane Angebot des Bundes signalisiere jedenfalls eher einen Finanzausgleich "im horizontalen Bereich - dass Mehraufwendungen nicht generell, sondern in den einzelnen Bereichen ausgeglichen werden". Seine prinzipielle Forderung bleibe aber bestehen: Im vertikalen Finanzausgleich 25 Prozent für die Länder und 15 Prozent für die Gemeinden oder eine gleichwertige Kompensation in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Bildung.
Wolfgang Eder/APA