Der öffentliche Dienst braucht dringend Nachwuchs. Durchschnittlich 45,3 Jahre alt war das Personal des Bundes im Jahr 2021 – fast sechs Jahre älter als Angestellte in der Privatwirtschaft. Rund 45 Prozent werden bis 2035 in Pension gehen – und Österreich damit fast die Hälfte seines Verwaltungspersonals, seiner AHS-Lehrer, seiner Richterinnen und Staatsanwälte, seiner Polizistinnen, Soldaten und Universitätsprofessorinnen verlieren. Und auch jene Bereiche des öffentlichen Dienstes, die in die Zuständigkeit der Länder fallen – etwa Krankenanstalten und Pflichtschulen – suchen händeringend nach Arbeitskräften. Die Lehrergewerkschaft warnte gar, schon im Herbst könnten manche Klassen möglicherweise nicht besetzt werden.
Im Bundesdienst habe es um die Jahrtausendwende eine große Aufnahmewelle gegeben, erklärt Christian Kemperle, Chef der Sektion "Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation" im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. In den Jahren danach hätten Sparpakete dafür gesorgt, dass zahlreiche Stellen nach Abgängen nicht wieder nachbesetzt wurden. Erst seit 2015/16 steige die Zahl der Aufnahmen wieder. "Aber die Sparpakete schlagen bis heute durch", sagt Kemperle. Dadurch, dass viele Personen zur gleichen Zeit zu arbeiten begannen, sind viele in einem ähnlichen Alter – und gehen zu einer ähnlichen Zeit in Pension.
Quereinsteiger in den Schulen, Kinderbetreuung beim Heer
Doch reiche es nicht aus, bloß die frei werdenden Stellen nachzubesetzen, meint der Sektionschef. Immerhin benötigt eine wachsende Bevölkerung mehr Verwaltungspersonal, mehr Polizisten, mehr Lehrpersonen. Zwar würde in anderen Bereichen der Personalaufwand durch neue technische Möglichkeiten sinken, insgesamt brauche es in den kommenden Jahren aber eher mehr als weniger Personal.
Also begeben sich Bund, Länder und Gemeinden auf die Suche nach Nachwuchs. Im vergangenen Jahr hat etwa das Bildungsministerium die Kampagne "Klasse Job" gestartet, mit der einerseits junge Menschen vor der Studienwahl, andererseits Quereinsteiger aus anderen Sparten für den Lehrberuf begeistert werden sollen. Vergangene Woche präsentierte Minister Martin Polaschek (ÖVP) gemeinsam mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) eine Kooperation der beiden Ministerien: So soll eine neue Welle der Kampagne etwa auf Heeresleistungssportler oder Militärmusiker abzielen, die am Ende ihrer militärischen Karriere für einen Umstieg in die Schule interessiert werden sollen. Das Bundesheer wiederum versucht, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern – in jeder Kaserne soll es künftig Kinderbetreuungsmöglichkeiten geben. Außerdem wurde heuer ein freiwilliger Grundwehrdienst für Frauen ins Leben gerufen. 133 Meldungen habe es in den ersten drei Monaten bereits gegeben.
Sichtbare Tattoos bei der Polizei nun erlaubt
Besonders "große Herausforderungen" sieht Kemperle im Bereich der Exekutive. Viele Abgänge stünden bevor, gleichzeitig steige der Bedarf an Personal. Das Innenministerium versucht etwa mit Erleichterungen beim Aufnahmeverfahren für den Polizeidienst gegenzusteuern. Sichtbare Tattoos sind nun etwa kein Hindernis mehr, ebenso wenig ein fehlender Führerschein, der sogar kostenlos während der Ausbildung nachgeholt werden kann. Vergangene Woche vermeldete Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erste Erfolge: Seit Jahresbeginn habe es 6200 Bewerbungen gegeben. Das Justizministerium startete wiederum Ende des vergangenen Jahres eine Kampagne mit dem Ziel, etwa Richterinnen und Justizwachebeamte anzuwerben.
Im Gesundheitsbereich gehen die zuständigen Länder unterschiedliche Wege. Das Burgenland versucht etwa, durch höhere Gehälter in den Spitälern und Stipendienmodelle für das Medizinstudium Jungärzte für die Arbeit in öffentlichen Krankenhäusern zu gewinnen. Für Ärger in der Steiermark sorgte Ende 2022, als der Wiener Gesundheitsverbund ausgerechnet auf einer Grazer Straßenbahn um Pflegepersonal warb.
Gute Nachrichten gibt es aus dem Verwaltungsbereich: Die mit Jahresbeginn in Kraft getretene Dienstrechtsnovelle zeige bereits Wirkung, sagt Kemperle. Die damit beschlossenen höheren Einstiegsgehälter etwa im Exekutiv- und Verwaltungsdienst seien ein Anreiz für die Bewerberinnen und Bewerber.
Mehr Bewerber dank Abkehr vom "Beamtendeutsch"
Doch nicht nur Geld kann den öffentlichen Dienst attraktivieren. Man habe für den Verwaltungsbereich etwa die Formulierung der Jobausschreibungen angepasst, sagt Kemperle: Statt schwer verständlichem "Beamtendeutsch" setze man nun darauf, den Sinn und die eigentlichen Aufgaben des Arbeitsplatzes hervorzuheben. "Bei Stellen, die wir letztes Jahr zwei oder drei Mal ausschreiben mussten, haben wir jetzt viele Bewerber", berichtet Kemperle. "Der Generation Y und Z geht es stark um den Sinn ihrer Arbeit." Auch Teilzeit- oder Homeoffice-Möglichkeiten werden nun gleich in der Ausschreibung ausgeschildert.
An Bedeutung gewinnt aber auch wieder die Sicherheit, die Jobs im öffentlichen Bereich bieten – gerade in Zeiten, in denen Firmenpleiten und Personalabbau immer wieder für Negativschlagzeilen sorgen.