Es sei eine "positive Bilanz", wenn auch "kein Grund zum Jubeln". Vor einem Jahr sei das österreichische Asylsystem "massiv belastet" gewesen, erinnerte sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Montag. Doch man sei "auf die Asylbremse" gestiegen und die Zahlen hätten sich seither in die gewünschte Richtung entwickelt. Rund 23.000 Asylanträge verzeichnete Österreich von Jänner bis Juni 2023, gleichzeitig gab es um rund 20 Prozent mehr Abschiebungen beziehungsweise Außerlandesbringungen als im Vorjahr. Das sei wichtig, damit das "Asylsystem glaubhaft bleibt" und Missbrauch verhindert werde, betonte Karner.  

Tatsächlich sind die Asylantragszahlen im Vergleich zum Vorjahr gesunken – in den ersten sechs Monaten 2022 verzeichneten die Behörden noch gut 31.000 Asylanträge. Im langjährigen Vergleich sind aber auch die Zahlen hoch: Im ersten Halbjahr 2021 waren etwa nur rund 10.870 Asylanträge gestellt worden.

Fluchtrouten verlagern sich in andere Länder

Gleichzeitig verzeichnen österreichische Nachbarstaaten wie Deutschland und Italien derzeit einen deutlichen Anstieg der Asylanträge – Fluchtrouten dürften sich also eher weg von Österreich verlagert haben, als dass die irreguläre Migration nach Europa insgesamt abgenommen hat, räumte auch Karner ein. Deshalb setze man sich auch für Maßnahmen auf EU-Ebene wie Asylverfahren an den Außengrenzen sowie verstärken Grenzschutz ein. Auch vom Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens wolle Österreich deshalb nicht abrücken.

Positiv sah der Innenminister, dass von Jänner bis Juni rund 28.000 Asylwerber Österreich wieder verlassen haben – also mehr, als Asylanträge gestellt wurden. Rund 5900 Menschen seien abgeschoben worden, die Top drei Nationalitäten seien dabei die Slowakei, Serbien und Rumänien, gab Karoline Preißer, Vizedirektorin des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, an.  

Abgesehen von Abschiebungen infolge von negativen Asylentscheidungen entziehen sich auch nach wie vor zahlreiche Menschen dem Asylverfahren. Sie dürften also entweder in ihr Herkunftsland zurückkehren oder in andere europäische Staaten weiterreisen, nachdem sie bereits in Österreich aufgegriffen worden sind und einen Asylantrag gestellt haben. Im vergangenen Jahr waren – vor allem aus diesem Grund – mehr als 40.000 Asylverfahren eingestellt worden. Auch heuer hätten sich bereits 18.500 Menschen dem Asylverfahren entzogen, sagte Karner.

Österreichische Polizisten an illegalen Pushbacks beteiligt?

In der Kritik stand am Montag die von Karner immer wieder als Erfolg gelobte "Operation Fox", bei der österreichische Polizisten ungarische Kollegen beim Grenzschutz unterstützen. Wie das Ö1-"Morgenjournal" berichtete, seien österreichische Beamte damit indirekt an illegalen Pushbacks beteiligt, also dem Zurückdrängen von Migranten, um sie am Stellen eines Asylantrags zu hindern. Denn indem österreichische Beamte Migranten aufgreifen und diese der ungarischen Polizei übergeben, ist davon auszugehen, dass die Asylsuchenden keine Möglichkeit bekommen werden, um Schutz anzusuchen – denn Ungarn ermöglicht so gut wie keine Asylanträge. Sollte es Vorwürfe von Gewalt geben, sei diesen nachzugehen, meinte Karner. "Aber natürlich gibt es aber die Möglichkeit, Menschen an der Grenze legal zurückzuweisen."  

Lukas Gahleitner-Gertz, Asylrechtsexperte beim Verein Asylkoordination, widerspricht Karner. Natürlich könnten Menschen legal zurückgewiesen werden, wenn diese Einreisebedingungen nicht erfüllen. Doch sobald jemand um Asyl bittet, oder es "stichhaltige Gründe" gibt, davon auszugehen, dass dieser Person Verletzungen der Artikel 2 und 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Leben, Verbot von Folter) drohen, muss geprüft werden, ob ein Recht auf Schutz in Österreich besteht. Solche Menschen ohne eine entsprechende Prüfung zurück hinter die Grenze zu bringen, sei nicht erlaubt, sagt Gahleitner-Gertz – unabhängig davon, ob Gewalt zur Anwendung kommt.