Mit einem in rein weiblicher Form geschriebenen Gesetzestext stößt Justizministerin Alma Zadić (Grüne) beim Koalitionspartner auf wenig Verständnis. "Ich wüsste nicht, welchen Beitrag man für Geschlechtergerechtigkeit dadurch leistet, dass etwas, was man kritisiert, einfach umgedreht wird", sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker im Ö1-"Morgenjournal". Im Alltag der Bevölkerung ist das Thema Gendern laut einer Umfrage indes nicht angekommen.
Zadic hatte das Flexible Kapitalgesellschafts-Gesetz schon im Mai mit ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner vorgestellt. Im Büro der Justizministerin verwies man am Freitag gegenüber der APA auf die gemeinsame Präsentation und zeigte sich von Stockers Kritik überrascht. Wie üblich sei das Gesetz mit der ÖVP koordiniert worden, der Gesetzestext sei vom Koalitionspartner auch in dieser Form freigegeben worden.
Männer sind im Gesetz ausdrücklich mitgemeint. Das kommt auch bei der FPÖ nicht gut an: Werde die männliche Form verwendet, seien Frauen mitgemeint, werde ausschließlich die weibliche Form verwendet, würden nur Frauen angesprochen, so FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst. Positive Reaktionen kommen währenddessen von der SPÖ und den NEOS. Für SPÖ-Frauenchefin Eva Maria Holzleitner hat das Sichtbarmachen von Frauen einen "wichtigen Zweck" und "großen Sinn". Für NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter ist die Sprache ein "Machtfaktor" - "Wir haben nichts dagegen, wenn einmal in die andere Richtung gegendert wird." "Fürchtet euch nicht vor inklusiver Sprache", mahnte indes die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski gegenüber Ö1.
Vorbild Kärnten
Bei dem Gesetzestext des Justizministeriums handelt es sich nicht um den ersten in weiblicher Form verfassten, worauf Andreas Schäfermeier, Pressesprecher von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), auf Twitter hinwies. Er verwies auf das im Dezember 2011 kundgemachte Kärntner Gemeindemitarbeiterinnengesetz. Dieses entstand unter dem damaligen Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK), Landesrat Josef Martinz (ÖVP), Landesrätin Beate Prettner (SPÖ) und Landesrat Christian Ragger (FPK).
Berührungsängste in der Bevölkerung
Berührungsängste gibt es auch in der Bevölkerung, wie eine OGM-Umfrage für den "Kurier" (920 Befragte, Schwankungsbreite 3,2 Prozentpunkte) zeigte. 67 Prozent gaben an, das Gendern beim Schreiben und Sprechen zu vermeiden. Zehn Prozent gendern hingegen beim Schreiben und Sprechen mehr oder weniger regelmäßig, neun Prozent nur beim Schreiben, drei nur beim Sprechen. "Etwa jeder Zehnte gibt an, nur in bestimmten Situationen zu gendern, wenn es beruflich notwendig erscheint", erklärte OGM-Chef und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer im "Kurier".
Frauen gendern etwas häufiger als Männer, auch die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung gendert aber nicht. Große Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der politischen Präferenz: Während 80 Prozent der Grün-Wählerinnen und -Wähler gendern, versuchen mehr als 90 Prozent der FPÖ- und drei Viertel der ÖVP-Wähler, das zu vermeiden. Insgesamt sprachen sich 79 Prozent für Entscheidungsfreiheit beim Gendern für jede und jeden aus.