Bundespräsident Van der Bellen hat die Logik der sozialen Medien angeprangert. Ist die Logik eine asoziale?
INGRID BRODNIG: Es ist komplex. Es gibt zwei Ebenen: den Menschen und die Technik. Wir Menschen neigen zur Homophilie. Wir umgeben uns mit gleichdenkenden, gleichartigen Personen. Im Internet kann man das besonders gut ausleben, indem man Seiten abonniert und Gruppen beitritt, wo sich Gleichgesinnte aufhalten. Das Internet ist eher ein Vehikel, um den Drang zu befördern.
Was ist mit den Algorithmen? Sind die das große Problem?
Das ist die weitverbreitete These der Filterblasen, dafür gibt es wenige wissenschaftliche Belege. Es sieht eher so aus, dass der Mensch der entscheidende Faktor ist.
Warum fehlen die Belege?
Die großen Konzerne wie Twitter, Facebook & Co. legen ihre Algorithmen nicht offen.
Werden diesbezüglich Fake News verbreitet?
Nein, die Echokammer ist als Begriff zulässig, denn die Echokammer entsteht durch den Menschen. Der Mensch begibt sich in Räumlichkeit, wo er wie bei einem Echo die Bestätigung zurückbekommt. TikTok ist dafür bekannt, dass der Algorithmus besonders gut Vorlieben, Interessen erkennt. Bei TikTok stellt sich umso mehr die Frage, ob Filterblasen existieren – ob Technik zusätzlich spaltet. Sicher ist, der Mensch ist ein zentraler Faktor.
Ist es nicht klug, sich in die Blasen von Andersdenkenden einzuklinken?
Ich würde nicht empfehlen, Kanäle zu abonnieren, die die Welt um 180 Grad anders sehen. Man läuft Gefahr, dass man in Wut verfällt. Man sollte Kanäle abonnieren, die zu 20 Prozent die Welt anders sehen. Wenn ich was abonniere, was meiner Überzeugung komplett widerspricht, reagiere ich eher mit Wut.
Van der Bellen hat verkündet, er folge nun Hofer. War das nur ein Gag?
Das war ein kluger Medienstunt, denn ich gehe davon aus, dass Van der Bellen ohnehin weiß, wie Norbert Hofer tickt. Das gehört zu seinem politischen Geschäft. Die Botschaft war wohl: Wenn ich ihm folge, können es auch andere tun.
Wer die FPÖ ablehnt, sollte keinen FPÖ-Kanal abonnieren?
Viele FPÖ-Kanäle leben von der Provokation, das ist ein Wesen des Rechtspopulismus. Da werden so harte Ansagen gepostet, dass sich Andersdenkende aufregen. Davon profitiert der Populismus wiederum. Es ist schwierig, Kanäle zu finden, die anders sind, ohne zu provozieren.
Fördern die sozialen Medien die Polarisierung?
Die Gefahr ist, dass soziale Kanäle Gruppendenken und im Umkehrschluss Feindbilder fördern. Auf sozialen Kanälen kann ich das leicht ausleben. Es gibt den menschlichen Drang, sich mit Gleichdenkenden zu umgeben.