Wann immer von der EU ein neues Handelsabkommen ausverhandelt wird, ist die Gegnerschaft in Österreich eine breite. Der Phalanx gehören im Regelfall alle Parteien an, von ganz links bis ganz rechts, die Kammern, NGOs, der Boulevard. Das war schon vor fünf Jahren beim Abkommen mit Kanada (CETA) so, wo die FPÖ, der ÖGB, SPÖ-Bürgermeister, vor allem der Boulevard, bisweilen der Bauernbund vor dem Import von Hormonfleisch und Chlorhühner gewarnt hat.
Derzeit steht ein Abkommen mit den Mercosur-Ländern auf der Agenda. So wie damals bürstet auch diesmal vor allem die Industriellenvereinigung (IV) gegen den Strich. Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung geht IV-Präsident Georg Knill hart mit den österreichischen Gegnern von Mercosur ins Gericht – und zieht Parallelen zur einstigen CETA-Debatte. "Das Beispiel CETA zeigt eindrucksvoll, wie ideologisch aufgeladen und unbegründet viele Ängste oftmals sind, die bei Handelsabkommen ins Treffen geführt wurden und werden." Vor sechs Jahren wurde der Handels-Pakt mit Kanada abgeschlossen. "Wir finden nach wie vor kein Hormon- oder Chlorfleisch kanadischer Landwirte in österreichischen Supermarktregalen".
Damals attestierten viele Kritiker dem Abkommen "äußerst geringe ökonomische Effekte", was sich als Fehleinschätzung erwiesen habe, so Knill: "Das Gegenteil ist der Fall." 2022 waren die heimischen Exporte nach Kanada um satte 75,3 Prozent höher als vor Inkrafttreten von CETA. Die EU-Exporte seien um 26 Prozent gestiegen, was laut EU-Kommission zu 70.000 Arbeitsplätze geführt habe. "Ähnlich positive Effekte erwarten wir auch durch das EU-Mercosur-Abkommen."
Österreich exportiert, so die Industriellenvereinigung, in den Mercosur-Raum, allen voran nach Brasilien, Waren in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, die Importe belaufen sich auf 689 Millionen Euro. Mehr als 1400 österreichische Unternehmen unterhalten Geschäftsbeziehungen mit den vier Mercosur-Staaten. Der bisherige Handel mit der Region sichert in Österreich bereits 32.000 Arbeitsplätze.
Was steht bei Mercosur auf dem Spiel?
Über den Aufbau der Freihandelszone zwischen EU und den
Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay war im
Sommer 2019 nach jahrelangen Verhandlungen eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden, die allerdings von Österreich oder auch Frankreich infrage gestellt wird. Brüssel ist seit Jahren um einen Kompromiss bemüht, das Abkommen würden Unternehmen in der EU Milliardenbeträge an Zöllen ersparen und den Exporte ankurbeln. Kritiker befürchten, dass europäische Landwirte in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden und gleichzeitig die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird.