Ein roter Teppich und ein Spalier mit Gardesoldaten erwarteten Ungarns Staatschef Viktor Orbán und Serbiens Präsidenten Aleksandar Vučić bei ihrer Ankunft vor dem Bundeskanzleramt in Wien. Ebenso wie ein Dutzend Demonstrantinnen und Demonstranten, die die beiden Staatsgäste mit empörten Pfiffen empfingen. Drinnen wurden deutlich freundlichere Töne angeschlagen – bis man gemeinsam vor die Medien trat.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte zum inzwischen dritten Gipfel des Bündnisses nach Wien geladen, um den gemeinsamen Kampf gegen irreguläre Migration zu vertiefen, wie es im Vorfeld geheißen hat. Man habe sich unter anderem auf eine gemeinsame Grenzschutz-Taskforce sowie die Entsendung weiterer Polizisten an die ungarisch-serbische Grenze geeinigt, verkündet der Kanzler im Anschluss an die Gespräche. Die Innenminister der drei Staaten haben zudem ein entsprechendes vierseitiges Kooperationsmemorandum unterzeichnet. Nur so könne man „die Asylbremse weiter anziehen“ und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Auch Serbiens Präsident Vučić zeigt sich mit den Ergebnissen zufrieden, es sei bereits ein nächster Dreier-Gipfel in Planung.
„Wir sind der einzige Migranten-freie Ort Europas“
Doch als Ungarns Präsident Orbán zur Beantwortung einer Frage des ungarischen Staatssenders MTV ausholt, verdunkelt sich Nehammers Miene. „Wir sind der einzige Migranten-freie Ort Europas“ brüstet sich der Staatschef. Das sei der konsequenten Verteidigung des Landes zu verdanken, man habe einen Zaun gebaut, „und den verteidigen wir“.
Es sei klar, dass man nur Migranten aufnehmen werde, die auch einen positiven Asylbescheid in der Tasche haben. „Kommst du trotzdem, nehmen wir dich fest und werfen dich raus – das ist das ungarische System“, erklärte er.
Die nun in Brüssel angestrebte gesamteuropäische Einigung inklusive Quotenverteilung werde man zudem nicht mittragen, Ungarn sei „das einzig erfolgreiche Land“ in Sachen Migration. Dabei gebühre diesem genau dafür Respekt, sagt Orbán, „wir schützen Europa vor Migranten“, sonst würden in Österreich, Deutschland und den Niederlanden „Hunderttausende Migranten mehr als heute“ vor der Tür stehen.
Migranten "kommen zu 80 Prozent durch Ungarn"
Als Orbán seine Ausführungen beendet, greift Nehammer nach dem vor ihm aufgebauten Mikrofon. „Es stimmt zwar, dass sich die irregulären Migranten nicht in Ungarn aufhalten, aber zu 80 Prozent durch Ungarn nach Österreich kommen und wir haben dann 109.000 Asylanträge und Ungarn hat 45“, erklärt er. Eine Feststellung, die die ÖVP bisher vermieden hatte, um die polizeiliche Kooperation an der Grenze nicht zu gefährden.
Es sei deshalb wichtig, nach einer gemeinsamen Lösung auf EU-Ebene zu suchen und vor allem die Idee von Asylverfahren in sicheren Drittstaaten umzusetzen. Orbán lauscht der aus seinem Ein-Ohr-Kopfhörer dröhnenden ungarischen Übersetzung der Kanzler-Worte mit ausdrucksloser Miene. Kurz danach ziehen die drei Regierungschefs wieder ab.
Kritik an Gipfel
Der Gipfel des Dreier-Bündnisses, das sich im vergangenen Herbst erstmals zusammengefunden hatte, sorgte bereits im Vorfeld für scharfe Kritik. Man rolle dabei zwei wenig demokratisch agierenden Machthabern den – vor allem durch den hohen Sicherheitsaufwand steuerintensiven – roten Teppich aus, hieß es vonseiten des grünen Koalitionspartners, der SPÖ und von einigen Menschenrechtsorganisationen. Im Kanzleramt zeigte man sich dennoch unbeeindruckt und verweist auf bisherige Gipfel-Erfolge.
Bei den beiden vorherigen Treffen in Budapest und Belgrad hatte man Präsident Vučić dazu überredet, die Visa-Freiheit für die Länder Indien und Tunesien abzuschaffen, die zu einem starken Anstieg der Asylantragszahlen aus diesen Ländern in Österreich geführt hatten. Die Folge waren ebenso schnelle Rückgänge, von Jänner bis Mai wurden allgemein um 20,5 Prozent weniger Anträge verzeichnet als im Vorjahreszeitraum, während die Zahlen in der restlichen EU um 30 Prozent gestiegen seien. Nehammer sieht diesen Umstand als direkten Erfolg der Kooperation.
Kritik kam im Anschluss des Gipfels von der SPÖ, die von einem „Reinfall“ sprach. Aus Sicht der FPÖ habe das Treffen nichts gebracht. Laut Neos habe sich der Kanzler erneut von „Rechtsbrechern“ täuschen lassen.