Dass beim legendären Parteitag der SPÖ Anfang Juni in Linz eine wichtige Weichenstellung vorgenommen wird, war von Anbeginn an klar. Im Regelfall werden heikle Personalfragen von Parteien hinter verschlossenen Türen entschieden. Nur ganz selten werden solche Fragen auf offener Bühne geklärt. Seit 1945 fiel die Entscheidung, wer eine Partei künftig anführt, nur viermal in einer Kampfabstimmung auf einem Parteitag, so etwa 1967, als Bruno Kreisky den Favoriten der Wiener SPÖ sowie der übermächtigen Gewerkschaft, Hans Czettel, auf Platz zwei verwies. Erinnert sei auch an den FPÖ-Parteitag 1986 in Innsbruck, als der junge Jörg Haider den damaligen FPÖ-Chef Norbert Steger aus dem Amt beförderte.
Am 3. Juni steuerte der Machtkampf zwischen Hans-Peter Doskozil und Andreas Babler um den Chefsessel in der SPÖ in Linz auf den Höhepunkt zu. Somit war klar, dass alle österreichischen Medien, so auch die Kleine Zeitung, mit einer größeren Abordnung nach Oberösterreich aufbrach. Im Regelfall bedarf es für Pressevertreter einer Voranmeldung, am Eingang zum Design-Center wurde jedem Journalisten eine Pressebadge ausgehändigt, allerdings ohne Name und Foto, sondern lediglich mit einer Nummer.
Dass der Parteitag wegen der höchst peinlichen Auszählungspanne in die Geschichte eingehen würde, wusste in Linz noch niemand. Erst mit 48-stündiger Verspätung wurde der Supergau entdeckt.
Wenige Tage später fiel mir mein Pressebadge, den ich in Linz getragen hatte, wieder in die Hände. Statt den Ausweis gleich dem Mistkübel zu überantworten, legte ich ihn zur Seite. Ein Foto mit dem Text „Ein historischer Badge“ schickte ich als Tweet ab.
Wenige Tage später klopfte unter Vermittlung eines Journalistenkollegen das Österreich-Museum bei mir an, ob ich bereit sei, den Badge, den ich vertwittert hatte, der historischen Sammlung zu übergeben. Statt ausschließlich Objekte aus vergangenen Epochen aufzuspüren, sei man dazu übergegangen, bereits zeitnah interessante Objekte zu sichern. So ist das Österreich-Museum am Heldenplatz etwa im Besitz des USB-Sticks, auf dem das brisante Ibiza-Video gespeichert wurde. Auch Waldheims Holzpferd war lang in der Ausstellung zu sehen.
Beim Linzer Parteitag sei man objektmäßig bisher noch nicht fündig geworden, hieß es. Die verhängnisvolle Excel-Liste werde man wohl kaum von der SPÖ erhalten. So gesehen sei der Pressebadge, der für den außerordentlichen Parteitag in Linz ausgestellt worden ist, ein erstes interessantes Objekt.
In der Zwischenzeit ist mir vom Haus der Geschichte eine Schenkungserklärung übermittelt worden, die ich in diesen Tagen unterzeichnet retourniert habe. Der Badge für die Kleine Zeitung lande zunächst einmal im Fundus. Ob er einmal ausgestellt wird? Vielleicht 2040, wenn einmal eine Ausstellung über das Ende der Großparteien abgehalten wird.