1 Was fordert die Staatsschutzbehörde DSN?
Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), forderte nach dem vereitelten Anschlag auf die "Pride"-Parade in Wien am Wochenende bessere Zugriffsmöglichkeiten auf Messengerdienste. Man brauche keinen Vollzugriff auf ein Gerät, so Haijawi-Pirchner, sondern auf bestimmte Apps.
2 Warum ist das nötig?
Nicolas Stockhammer, Terrorexperte an der Donau-Uni Krems, sagt: "Wir leben in einem Zeitalter der Extremismen." Die Terrorgefahr nehme zu. Die stärksten Zuwächse beobachtet er beim Rechtsextremismus. In absoluten Zahlen sei der Islamismus noch immer haushoch vorne.
3 Auf welche Hürden stößt die Polizei?
"Während die Kommunikation von Terrorverdächtigen über Telefone überwacht werden kann, ist ein entsprechender Zugriff auf Kommunikation via Messengerdiensten am Smartphone rechtlich nicht möglich", sagt Patrick Maierhofer, Pressesprecher des Bundesministeriums für Inneres. Schwerstkriminelle wissen über diesen "blinden Fleck" Bescheid und nutzten diesen tagtäglich aus. Das gefährde nicht nur Ermittlungen, sondern auch die nationale Sicherheit, so das Ministerium.
4 Was ist ein Bundestrojaner?
Am Laptop oder dem Smartphone befinden sich verschiedene Systeme, die schon ihrer grundlegenden Programmierung nach nicht immer sicher sind. Im Fall eines "Bundestrojaners" werden Firmen damit beauftragt, solche Sicherheitslücken zu entdecken, und spezielle Schadsoftware entwickelt, um diese Lücken zu nutzen, erklärt Roger von Laufenberg, Managing Director am Vienna Centre for Societal Security.
Ein Trojaner sei eine Schadsoftwarevariante, über die datenstehlende Malware in ein System geschleust wird. "Dadurch würde eine Sicherheitslücke in der gesamten IT-Infrastruktur entstehen", sagt Alois Kobler, CEO der Blue Shield Security GmbH.
5 Welche Bedenken gibt es bei Trojanern?
Der Verfassungsgerichtshof hat ein Gesetz zum Bundestrojaner 2019 als verfassungswidrig aufgehoben, weil dieser einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre darstelle und auch eine "Vielzahl an unbeteiligten Personen" betreffe.
"Durch den Pegasus-Skandal wissen wir, dass Spionagesoftware in Ländern wie Ungarn gegen Oppositionelle und kritische Journalisten eingesetzt wurde", warnt Geheimdienstexperte Thomas Riegler.
6 Will die DSN den Bundestrojaner einführen?
Kritiker sehen in Haijawi-Pirchners Aussagen einen Vorstoß, um den Bundestrojaner zu rechtfertigen. "Er will vor allem eine Art 'Waffengleichheit' herstellen", meint Riegler.
"Es wird da das Schreckgespenst des Bundestrojaners verbreitet", sagt Stockhammer. Hier gehe es aber um präventive Maßnahmen, die lebensrettend sein können. "Dafür brauchen wir keinen Bundestrojaner, sondern ein rechtsstaatlich begründetes, selektives Recht, um auf Chatdaten zugreifen zu können. Stets unter den Auspizien der Rechtsschutzkontrolle", so Stockhammer.
7 Wie wurden bisher Anschläge verhindert?
Viele Hinweise zu Terroranschlägen kommen von ausländischen Behörden. In Deutschland ist der Polizei bereits seit 2017 unter strengen Auflagen der Einsatz eines "Staatstrojaners" erlaubt, Nachrichtendiensten seit 2021. "Die Bilanz ist gemischt. Aber es beim Status quo zu belassen, ist auch keine Option", so Riegler.
8 Braucht es mehr Befugnisse?
"Im Vergleich zu anderen europäischen Nachrichtendiensten hinkt die DSN in Sachen Befugnissen hinterher", sagt Riegler. "Die konkrete technische Umsetzung kann erst nach einer Anpassung der rechtlichen Grundlagen genau beschrieben werden, da sich diese nach den im Gesetz vorgegebenen Befugnissen richtet", so Maierhofer.
Von Sandra Czadul