Beschreiben Sie uns den Moment, als Sie erfahren haben, dass Sie zum SPÖ-Chef gewählt wurden?

Andreas Babler: Das war seltsam. Ich bin im Ausschuss gesessen und konnte nicht ans Telefon. Als die damalige Leiterin der Wahlkommission geschrieben hat, es sei dringend, hab ich vom Fehler erfahren. Dann bin ich zurück in den Ausschuss und habe die Abstimmungen einfach fertiggemacht. Erst im Anschluss habe ich das realisiert und die genaue Prüfung in Auftrag gegeben. Das war ein arger Moment. Man stellt sich ja auch als Mensch drauf ein, die Situation war sicher für uns beide nicht lustig. Aber wenn alles um mich herum chaotisch wird, werde ich ruhig.

Das Bild, das Ihre Partei abgegeben hat, ist fatal. Wie wollen Sie den Schaden begrenzen?

Der größte Schritt ist schon passiert, indem ich darauf gedrängt habe, dass schnell, transparent und notariell beglaubigt aufgearbeitet wird. Der Fehler war für das Erscheinungsbild natürlich nicht lustig, aber wir hatten eine gute Krisenkommunikation. Das Wichtigste ist, dass das Ergebnis gestimmt hat.

Dieses richtige Ergebnis hätten wir nie erfahren, hätte nicht eine Stimme gefehlt.

(seufzt) Ja.

Beim Parteitag im Herbst soll das rote Statut in Richtung mehr Mitgliedermitbestimmung geändert werden. Die hatten (wenn auch knapp) für Doskozil als Chef gestimmt und wurden von den Delegierten überstimmt. Wie viel Mitbestimmung kann man sich da als Mitglied wirklich erwarten?

Die Mitglieder haben niemanden mit klarer Mehrheit gewählt, bei einer Stichwahl unter ihnen hätte ich wohl eine starke Mehrheit gehabt. Der Vorstand hat entschieden, dass dies am Parteitag stattfinden soll. Aber das sind Zahlenspielereien.

Sie haben sich abseits von Lagerdenken und Grabenkämpfen positioniert, beides müssen Sie als Chef nun beenden. Wie wollen Sie Querschüsse verhindern?

Die Situation ist zwar schwierig, aber ich traue mir auch zu, das Bewusstsein zu schaffen, dass es um die Sozialdemokratie und nicht irgendwelche Befindlichkeiten geht. Ich kann mit allen reden, vom Neusiedlersee bis zum Bodensee.

Quereinsteigerin Rendi-Wagner hat damals wohl auch nicht mit so offensiver Kritik aus den eigenen Reihen gerechnet.

Wir haben nun wirklich andere Sorgen, mit Selbstbeschäftigung verbessert sich die Realität der Menschen nicht. Ich bin ein ganz anderer Typ und werde dafür sorgen, dass es gar keine Diskussion über Querschüsse geben kann.

Mit Spannung wird die Besetzung zentraler Parteiposten gesehen, die Sie nächste Woche verkünden. Werden sich die Lager von Doskozil und Rendi-Wagner in der Besetzung wiederfinden?

Für mich gibt es diese Lager nicht mehr, die Führungsentscheidung wurde getroffen und daher gibt es keinen Grund, dieses Denken fortzuführen.

Beobachter und Funktionäre erwarten einen Linksruck der SPÖ. Zu Recht?

Nein, es wird mehr Klarheit in der Positionierung und Sprache geben. Dass hier schon jetzt etwas in Bewegung gekommen ist, zeigt der Umstand, dass wir seit dem Parteitag mehr als tausend neue Mitglieder verzeichnet haben. Und von den mehr als 10.000 Personen, die vor der Befragung neu beigetreten sind, traten nur knapp über drei Prozent wieder aus. Mit der Bezeichnung "links" habe ich aber ohnehin kein Problem, es geht mir um "unten gegen oben" und gerechte Verteilung.

Sie haben das mühsam ausverhandelte SPÖ-Positionspapier zur Migration als nicht mehr aktuell bezeichnet. Welche Position hat die SPÖ nun bei diesem Thema?

Das stimmt so nicht, das Papier ist gültige Beschlusslage der SPÖ und ich habe damals selber mitgestimmt. Man kann aber freilich Vertiefungen vornehmen, was tagesaktuelle Themen wie diese jüngste Einigung am EU-Gipfel betrifft. Obwohl dort eigentlich immer das Gleiche besprochen wird.

Dass man sich erstmals seit 2015 auf eine verpflichtende Verteilung und Schnellverfahren an den Grenzen einigen konnte, beeindruckt Sie nicht?

Darüber wird doch seit Jahren diskutiert, man schiebt die Verantwortung immer an die Grenzländer ab. Und sonderlich konkret ist das alles auch noch nicht.

So konkret war es noch nie.

Es kommt ja wieder nichts raus, es gibt ja immer noch Blockaden mancher Länder. Und viele Fragen, etwa zum angewendeten Asylrecht an den Grenzen, sind weiter offen. Aber aus sozialdemokratischer Sicht ist klar, dass wir keine gefängnisartigen Lager an den Grenzen wollen. Und bei Schnellverfahren sind wir auch skeptisch. Aber so wichtig ist das Thema aktuell ohnehin nicht, wir müssen vielmehr schauen, dass die Leute bei uns morgen noch das Licht aufdrehen können.

Sie wollen die unter Rendi-Wagner beschlossene Blockade für Regierungsvorhaben im Parlament diskutieren und mit dem Kanzler sprechen. Das klingt nicht, als wollten Sie daran festhalten.

Ich war nicht Teil dieser Entscheidung, aber ich bin auch dagegen, das als Blockade zu bezeichnen – das ist eine Positionierung, die ich akzeptiere. Es kann einfach nicht sein, dass die Regierung einfach nicht auf die Teuerung reagiert.

Kann man mit dieser Argumentation ein Nicht-Mitgehen bei der geplanten Verschärfung des Verbotsgesetzes rechtfertigen?

Ich bin mir sicher, dass wir klarmachen werden, dass das nichts mit Teuerung zu tun hat. Das ist ja kein Spiel. Wenn es um Antifaschismus geht, ist die SPÖ eine der glaubwürdigsten Kräfte. Wir werden das besprechen.

Bei den Wahlen in Niederösterreich und Salzburg gab sich die SPÖ als unzugänglicher Koalitionspartner. Droht im Bund mit Ihnen an der Spitze das Gleiche?

Ich gehe davon aus, dass wir zu den Verhandlungen einladen werden. Wir müssen in dieser Republik etwas weiterbringen. Es wird Zeit für eine neue Ära.

Sie haben bereits mit Vorgängerin Rendi-Wagner telefoniert, hat sie Ihnen einen Rat gegeben?

Es geht ja nicht um Ratschläge, sondern Austausch, sie ist für die SPÖ in den letzten Jahren eine wichtige Person gewesen.

Kurzzeit-Vorgänger Doskozil haben Sie inzwischen erreicht?

Ich versuche, den Kontakt herzustellen. Die Situation ist nicht leicht, aber die formale Zusammenarbeit ist gegeben. Wir als SPÖ können es uns im Hinblick auf die nächste Wahl nicht einmal leisten, dass sich eine Ortsgruppe nur zurücklehnt. Das wissen wir beide.