Die SPÖ befindet sich in einer Ausnahmesituation. Weil beim Parteitag die Stimmen falsch zugeordnet wurden, ist seit Montagnachmittag klar, dass Hans Peter Doskozil doch nicht der neue SPÖ-Parteichef ist. Andreas Babler will die Funktion aber erst antreten, wenn die Stimmen erneut ausgezählt sind und keine Zweifel mehr bestehen. Und Pamela Rendi-Wagner ist seit der Wahl am Parteitag formal nicht mehr Parteichefin. Derzeit steht die SPÖ also ohne Vorsitzenden da.
Mehr noch: Auch einen Bundesgeschäftsführer, der die organisatorischen Geschicke leitet, gibt es nicht. Denn auch, wenn es am Parteitag nicht mehr formal zur Sprache kam: Der angekündigte Rücktritt von Christian Deutsch wurde vollzogen, versichert der gegenüber der Kleinen Zeitung.
Ein neuer Geschäftsführer muss vom neuen Vorsitzenden bestimmt werden. Hans Peter Doskozil hätte das am Mittwoch erledigen wollen, aber das ist nun hinfällig. Wer trifft also derzeit die Entscheidungen in der Löwelstraße?
Abteilungsleiter stimmen sich ab
"Wir haben eine gut funktionierende Abteilungsleiterstruktur, die alles koordiniert", versichert Christian Deutsch. Die Leitung der Kommunikation für Klub und Partei hat weiterhin Stefan Hirsch inne. Der stimmt sich derzeit mit der Leiterin der Wahlkommission, Michaela Grubesa, und dem Team Babler ab.
Formal gibt es auch mehrere stellvertretende Bundesparteivorsitzende: die Nationalratspräsidentin Doris Bures, die Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner, die Landeshauptleute Peter Kaiser und Michael Ludwig und den Niederösterreicher Franz Schnabl. Sollte es länger dauern, bis ein SPÖ-Chef zweifelsfrei feststeht, müsste der Bundesparteivorstand einen oder eine von ihnen mit der interimistischen Parteiführung betrauen.
Tatsächlich gehen aber die meisten in der Partei davon aus, dass die neuerliche Auszählung am Dienstag, bei der diesmal auch ein Notar anwesend ist, ein zweifelsfreies Ergebnis gibt und Andreas Babler damit Parteichef ist. Er wird heute Nachmittag eine Pressekonferenz abhalten.
Vorgänger von Grubesa ist entsetzt
Zu Wort meldet sich am Dienstag auch Harry Kopietz, der frühere Leiter der SPÖ-Wahlkommission: "In Wirklichkeit ist das ein Desaster", zeigt er sich entsetzt. Er wisse zwar nicht, wie der Fehler passiert sei, glaubt aber, dass ihm das so nicht passiert wäre. "Es gab schon Wahlen, bei denen wir zweimal nachgezählt haben", verwies er auf vergleichbare frühere Abstimmungen bei Parteitagen. Es hätte auffallen müssen, dass eine Stimme fehle. Dann hätte auch klar sein müssen, dass "etwas nicht passt", befand Kopietz.
Der einstige Parteimanager und Landtagspräsident war zunächst der Leiter der für die Mitgliederbefragung verantwortlichen Wahlkommission, trat am Tag, nachdem das Ergebnis der Mitgliederbefragung veröffentlicht wurde, aber aus gesundheitlichen Gründen zurück. Zuvor war vor allem vom Lager des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil Zweifel an der Transparenz der Wahl geäußert worden.
Veronika Dolna