Die Frage kam ziemlich unvermittelt daher: Als Siegfried Wolf im April 2022 vor dem ÖVP-U-Ausschuss eigentlich zu seinem Steuerverfahren befragt wurde – er hatte versucht, im Finanzministerium wegen einer Steuer-Nachzahlung zu intervenieren –, ließ der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer mit einer ungewöhnlichen Frage aufhorchen: "Wissen Sie etwas über Goldtransporte über die Grenze?", wollte er von Wolf wissen. Der Verfahrensrichter reagierte irritiert, der Vorsitzende Wolfgang Sobotka ermahnte Krainer, sich "endlich" an die Verfahrensordnung zu halten. Nach einigem Hin und Her wird die Frage zugelassen. Und Wolf gab eine Antwort, deren Tragweite erst jetzt sichtbar wird. "Ich habe Wahrnehmungen, aber ich entschlage mich der Aussage, weil es ein anhängiges Verfahren gibt."
Krainer wusste damals selbst nicht genau, worum es dabei ging: "Aber ich hätte die Frage nicht gestellt, wenn ich den Hinweis nicht aus einer sehr verlässlichen Quelle bekommen hätte", sagt er am Montag zur Kleinen Zeitung. Wenige Stunden zuvor gab die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bekannt, dass sie Anklage gegen den steirischen Manager Siegfried Wolf erhebt.
Der Sachverhalt: Wolf und ein weiterer ehemaliger Magna-Manager H. werden wegen Geldwäscherei angeklagt. Anlass ist die Beschaffung der Eurofighter-Abfangjäger in den Jahren 2000 bis 2002. H. war als Berater auch außerhalb des Magna-Konzerns tätig – mit der ausdrücklichen Zustimmung von Wolf. Firmen, Privatstiftungen und Trusts, die H. zugerechnet werden, sollen für das "Identifizieren von Gegengeschäften" 6,8 Millionen Euro erhalten haben. Eine Höhe, die Wolf im Eurofighter-U-Ausschuss 2018 rechtfertigte: "Es braucht Personen, die mit der Kenntnis des Marktes Dinge ventilieren."
Wolfs Rolle in der Entscheidungsfindung? Er war nach eigener Aussage "Taxi" für den damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser, als dieser 2001 mit dem Magna-Firmenjet zur EADS Zentrale nach Manching flog, und bekannte sich auch dazu, bei Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ) und dem damaligen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) "als österreichischer Staatsbürger und im Interesse des Wirtschaftsstandorts und der Beschäftigung" lobbyiert zu haben. Eine tatsächliche Einbindung in die Entscheidung bestritt er aber stets. "Ich fliege keinen Eurofighter. Ich habe nie einen bestellt. Ich weiß nicht, was das kostet. Ich kenne mich beim Auto aus", erklärte er im U-Ausschuss launig.
Laut WkStA könnte Wolf aber auch mit den 6,8 Millionen Euro in Verbindung stehen. Er solle Teile dieser Gelder teils in Gold, teils in Bar oder in Form von Namensschecks erhalten und die Vermögenswerte bis zur Rückgabe an H. in der Schweiz verwahrt haben. Damit sollte – unter anderem – der Aufenthaltsort des Geldes verschleiert werden. Eine persönliche Bereicherung Wolfs unterstellt die Anklagebehörde übrigens nicht, für ihn wie für den zweiten Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Auch haben beide Männer noch die Möglichkeit, die Anklage, die vom Weisungsrat im Justizministerium genehmigt wurde, zu beeinspruchen. Wolf war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Anklage als Tiefpunkt für Wolf
Die Anklage ist der vorläufige Tiefpunkt in der Karriere des einst scheinbar so souverän agierenden Managers Wolf. Gefördert von Magna-Gründer Frank Stronach stieg er im Auto-Zuliefer-Konzern erst zum Europa-, später zum globalen Chef auf. Ab 2010 zog es Wolf immer stärker nach Russland, wo er im Umfeld des Oligarchen Oleg Deripaska mehrere Aufsichtsratsmandate einnahm. Doch der Drang, Eigentümer zu werden, trieb ihn weiter an – und gipfelte schließlich 2021 im Kauf der MAN-Lkw-Fabrik in Steyr.
Politisch wirkte Wolf als Netzwerker für Sebastian Kurz – und das offenbar auch mit Eigeninteressen, wie Chats zeigten. So soll er in Steuerangelegenheiten interveniert haben – was er vehement bestreitet. Die Ermittlungen hierzu sind noch völlig offen.