Die türkis-grüne Koalition macht Ernst mit der Aberkennung von Ehrenzeichen der Republik für NS-Täter. In einer Pressekonferenz am Montag haben Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) eine Gesetzesvorlage präsentiert, die ermöglicht, Menschen Ehrenzeichen wieder abzuerkennen.
Das sei "ein richtiger und verantwortungsvoller Umgang" einerseits gegenüber den Opfern der Nazis, andererseits auch dazu, den Wert österreichischer Ehrenzeichen aufrechtzuerhalten, so die Regierung. Nach dem Krieg waren immer wieder auch NS-Täter in Österreich mit Ehrenzeichen bedacht worden. Bis dato gibt es keine Rechtsgrundlage, solche einmal verliehenen Ehrenzeichen wieder abzuerkennen.
Automatische Aberkennung bei Verurteilten
Nun sollen alle Ehrenzeichengesetze des Bundes dahingehend vereinheitlicht werden, dass es gemeinsame Bestimmungen für eine Aberkennung geben soll:
- Automatisch soll ein Ehrenzeichen ab Rechtskraft des Gesetzes widerrungen werden, wenn der Ausgezeichnete durch ein österreichisches Gericht zu mehr als sechs Monaten unbedingter bzw. zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt wird. Dieses Limit gilt nicht bei Straftaten bei gegen Leib und Leben, die Freiheit, die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, gegen die Republik oder nach dem Verbotsgesetz – dann gilt das Ehrenzeichen unabhängig von der Strafhöhe als widerrufen.
- Ein Beirat aus Historikern und Juristinnen entscheidet über Aberkennungen bei Personen, die eine führende Rolle in der NSDAP oder anderer Nazi-Organisationen bzw. der nationalsozialistischen Verwaltung hatten und sich aktiv an den nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligten.
- Der Beirat soll ebenfalls beurteilen, ob aberkannt wird, wenn Geehrte durch ein ausländisches Gericht verurteilt worden sind.
"Geschichtsaufarbeitung in Österreich hat erst spät eingesetzt", so Kogler, lange habe die Einstellung geherrscht, "lieber einen Strich druntersetzen als sich mit Taten und Tätern auseinanderzusetzen".
"Jemand, der ein Ehrenzeichen trägt, muss auch Vorbild sein", sagt Edtstadler – das sei keine "Momentaufnahme, sondern auch Verantwortung". Österreich sei verpflichtet, diese Ehrenzeichen auch zu schützen. Und dazu gehöre auch, ständig zu evaluieren, ob ein Träger nicht jemals ein Ehrenzeichen bekommen hätte dürfen. Es dürfe "keine Toleranz gegenüber Antisemitismus uns Extremismus" geben, so Edtstadler.
Mitverfasser der Rassengesetze trägt noch immer Ehrenzeichen
Anlass ist der von Kleine-Zeitung-Journalist Christian Weniger thematisierte Fall Hans Globke (* 10. September 1898 in Düsseldorf; † 13. Februar 1973 in Bonn). Der Verfassungsjurist zählte zu den engsten Mitarbeitern des einstigen deutschen Kanzlers Konrad Adenauer. Ihm wurde 1956 die zweithöchste Auszeichnung der Republik, das "Große goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich", verliehen. Erst später wurde das volle Ausmaß von Globkes Verwicklungen in die NS-Verbrechen bekannt.
Globke ging, so die Historiker, als Co-Autor der NS-Rassengesetze in die Geschichte ein. Auch der Stempel "J" in den Pässen der jüdischen Bevölkerung sowie die Hinzufügung der Vornamen "Sara" bzw. "Israel" sei auf ihn zurückzuführen.
Der Gesetzesvorschlag liegt nun bis Mitte Juli zur Begutachtung auf und dürfte nach dem Sommer im Parlament beschlossen werden; SPÖ und Neos haben grundsätzlich Zustimmung signalisiert. In die Ausarbeitung des Vorschlages war unter anderem die Bundespräsidentschaftskanzlei involviert, die für die Verleihung von Ehrenzeichen mitverantwortlich ist.
Georg Renner