Die FPÖ belegt seit Monaten Platz eins in den Umfragen, die Regierung hat seit Langem keine Mehrheit mehr und die SPÖ zerfleischt sich. Wie sehr wünschen Sie sich Neuwahlen?
Michael Schnedlitz: Wir wünschen uns schnelle Neuwahlen, aber nicht aus Kalkül, sondern damit das Drama für die Bevölkerung aufhört, das die Regierung hier aufführt. Der Scherbenhaufen wird täglich größer.
Im Bund liegt eine Neuauflage von Türkis-Blau in der Luft. Laufen bereits Annäherungsgespräche?
Es gibt keine Wunschkoalition, wir haben mit allen Parteien eine Gesprächsbasis. Wir würden uns aber wünschen, dass sich die SPÖ stabilisiert und aus dem Selbsthilfemodus herauskommt. Österreich braucht eine starke Sozialdemokratie.
Wäre eine Koalition mit der SPÖ unter Doskozil realistischer?
Ich glaube, das ist sehr realistisch, ganz unabhängig davon, wer gewinnt. Immerhin wäre auch Pamela Rendi-Wagner damals bereit gewesen, in der Not eine Koalition mit uns einzugehen. Doskozil hatte eine solche im Burgenland ja schon einmal mit der FPÖ und auch Andreas Babler würde, wenn es so weit ist, von seinen aufgebauten Mauern abrücken. Die Vranitzky-Doktrin ist lange passé. Aber auch mit der ÖVP ist Zusammenarbeit möglich. Die Farbe ist sogar wurscht, ÖVP und SPÖ haben ohnehin als Einheitspartei agiert. Es geht um die Frage, wer starker Partner für einen Neustart sein kann, um freiheitliche Ideen durchzusetzen. Und die Landesregierungen zeigen, dass wir Regierungsverantwortung können. Das wollen wir auch im Bund zeigen.
Dort ist Ihre Partei bereits zwei Mal gescheitert.
Wir waren auch noch nie so stark wie unter Herbert Kickl.
Mit ihm will aber keine andere Partei arbeiten. Also lieber Opposition als einen weniger streitbaren Freiheitlichen an der Spitze?
Wir werden Kickl sicher nicht austauschen, er hat die FPÖ hingeführt, wo sie heute ist. Und für die anderen Parteien wird er keine Hürde sein. ÖVP und SPÖ brauchen einfach ein gemeinsames Feindbild.
Dem Partner das Kanzleramt zu überlassen, kommt nicht infrage?
Dass wir unter Haider der ÖVP den Kanzlersessel überlassen haben, war der größte Fehler unserer Parteigeschichte, den wir nicht wiederholen werden.
Größer als die Ibiza-Affäre?
Das war kein Fehler der Partei, sondern der Einzelperson Heinz-Christian Strache.
Der war FPÖ-Parteichef.
Unter Herbert Kickl wird so etwas jedenfalls nicht passieren.
Bundespräsident Van der Bellen will ihn nicht angeloben.
Dass in einer Demokratie ein Oberhaupt offen androht, den Wählerwillen nicht umzusetzen, ähnelt eher einer Diktatur.
Nachdem in Österreich keine Personen, sondern Parteien gewählt werden, wäre der Wählerwille ja nicht ignoriert, oder?
Wenn ein Präsident einer gewählten Partei bei der Personalauswahl dreinreden will, verstößt das gegen alle demokratischen Spielregeln. Das würde zu einer Staatskrise führen.
Kickl bekundet gern seine Liebe für Orbán und dessen Migrationspolitik. Der ließ kürzlich Tausende Schlepper frei. Sieht so ein freiheitliches Vorbild aus?
Er ist kein Vorbild als Person, sondern sein Umgang mit Asylwerbern. Er macht zwar einen Fehler, aber zeigt auch, dass man als EU-Mitglied die Asylpolitik selbst in der Hand hat. Hier ist er Vorbild für Österreich.
Kickl selbst hatte die Asylagenden "in der Hand", auch er scheiterte mit geplanten Verschärfungen am Gesetz. Liebäugeln Sie nicht erneut mit Dingen, die sich schlicht nicht umsetzen lassen?
Unter Kickl sind die Asylzahlen massiv gesunken. Das zeigt, dass FPÖ-Politik wirkt.
FPÖ-Politik pocht auch auf Neutralität, in der Regierung streitet man indes über Entminungshilfe für die Ukraine. Zu Recht?
Es ist absurd, österreichische Söhne und Töchter in den Krieg zu schicken. Nichts anderes wäre ein solcher Einsatz. Das kann man nicht schönreden.
Gleiches gilt für die Pflegekrise. Ihre Partei fordert verpflichtende Deutschkenntnisse für Pfleger, die ohnehin vorgeschrieben sind. Warum soll eine Pflegekraft nach Österreich kommen, wenn die FPÖ alles daran setzt, ihr das so unattraktiv wie möglich zu machen?
Wir wollen Pflege mit Würde und da bringen Sprachbarrieren nichts. Man muss den Bereich für unsere Jugend attraktiv machen, damit sie hier tätig wird. Es ist nicht unser Ansatz, das nur mit Ausländern zu lösen.
Dass wir den Bedarf ohne sie nicht decken können, ist bekannt.
Weil die Politik hier in den letzten Jahrzehnten zu wenig getan habe. Das muss man ändern.
Die SPÖ blockiert bei Zwei-Drittel-Materien, was FPÖ-Stimmen wertvoller macht. Die vergeben Sie praktisch nie. Ändert sich das?
Wir werden nicht den SPÖ-Fehler machen, Steigbügelhalter zu sein. Wenn Gesetze für die Bevölkerung sinnvoll sind, stimmen wir zu. Aber die Regierung hat nichts Sinnvolles vorgelegt.
Gegen den Wiener FPÖ-Abgeordneten und Akademikerball-Organisator Udo Guggenbichler laufen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung. Ist die FPÖ ihren "Narrensaum" noch immer nicht losgeworden?
Ich würde ihn nicht als Narrensaum bezeichnen, kenne aber die Hintergründe nicht. Nachdem eine Ex-Abgeordnete einer anderen Partei die Vorwürfe erhebt, klingt das sehr politisch.
Können Sie garantieren, dass in Ihren Reihen keine Anhänger alten Gedankenguts sitzen?
Ich kann garantieren, dass niemand in der FPÖ am Verbotsgesetz anstreift.
Die FPÖ Niederösterreich klagt die Satireplattform "Die Tagespresse" wegen gefälschter FPÖ-Briefe zur Wirtshausprämie. Hat die FPÖ keinen Humor?
Das hat nichts mit Humor zu tun, wenn man Wirten etwas vormacht, die man mit dieser Aktion getroffen hat. Jetzt werden wir sehen, ob es hier wirklich Narrenfreiheit gibt.