Florian Tursky ist kein geduldiger Mensch. Wenn sich ein Programmpunkt auf einer seiner zahlreichen Auslandsreisen ändert oder sich die Durchsetzung seiner Pläne verzögern, wird er unruhig. Auch, wenn er sich bemüht, das zu kaschieren. Dass der Staatssekretär ausgerechnet mit Themen wie dem digitalen Ausbau, der langwierigen Suche nach einer EU-weiten Regulierung für Künstliche Intelligenz (KI) und mit dem Telekommunikationssektor befasst ist, macht die Sache nicht einfacher. Dass ausgerechnet viele seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro teils derart schlechten Empfang haben, dass ihre Telefonate mehrfach abbrechen, auch nicht.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist der Tiroler, der in seinem Bundesland vor allem als rechte Hand des damaligen Landeshauptmannes Günther Platter bekannt war, nun Staatssekretär für Digitalisierung. Ein Bereich, der unter Minister-Vorgängerin Margarete Schramböck als stark vernachlässigt galt und für den er sich jetzt „als Lobbyist“ einsetzt, wie er sagt.
"Lässige" Interaktion mit dem Staat
Herzensprojekt scheint dabei die Weiterentwicklung von digitalen Amtswegen und Ausweisen zu sein. Bürgerinnen und Bürger sollen „lässig“ finden, mit dem Staat digital zu interagieren, sagt Tursky. Und mit Scheckkarten überquellende Brieftaschen sollen auch der Vergangenheit angehören.
Er selbst sieht seine Arbeit als Staatssekretär als Vernetzung von unterschiedlichen Kompetenzen, sagt er. Kritik, dass sich Österreich teure Staatssekretäre wie ihn leistet, die nur in der Weltgeschichte herumfliegen, kann er nichts abgewinnen. Alle Ressorts würden davon profitieren.
Crossfit und Fast Food
Weggefährten beschreiben Tursky als teils oberflächlich im Gespräch, ehrgeizig und kontrolliert, aber auch als nahbar, pragmatisch und diszipliniert. Bei besagten Auslandsreisen absolviert er noch vor dem ersten Tagestermin „Crossfit“-Einheiten in Studios, die er sich noch vor der Abreise in Hotelnähe sucht. Das fordernde Kraft- und Konditionsprogramm sei zeiteffizient und helfe beim Abschalten, sagt Tursky und lächelt zufrieden.
Auch beim Essen gibt er sich kontrolliert, achtet auf ausgewogene und fettarme Kost. Nur beim Besuch der kalifornischen Fast-Food-Kette „In-N-Out-Burger“ gerät er ins Schwärmen und schlägt zu. Als ihm der Grünen-Abgeordnete Süleyman Zorba, der mit ihm in die Staaten gereist ist, ein T-Shirt des Lokals schenkt, ist er gerührt. Zorba und er verstehen sich gut, „zwischen uns funktioniert die Koalition“, wird gescherzt. Der gemeinsame Arbeitsbereich sei schlicht kein ideologischer.
Ärger über fehlende Geschwindigkeit
Streiten liegt Tursky ohnehin nicht, wie er von sich selbst sagt. Auch deshalb sucht man Beiträge zu parteipolitischen Auseinandersetzung von ihm zu tagesaktuellen Themen vergebens. Er arbeite lieber.
Doch dabei fehlt Tursky oft das Verständnis für die fehlende Geschwindigkeit. Dass auf EU-Ebene seit Monaten über gesetzliche Regulierungen für KI verhandelt wird, während immer neue Anwendungen auf den Markt kommen, ist für ihn nicht nachvollziehbar. Seine Forderung nach einer eigenen KI-Behörde, die diese bis dahin für Österreich in Risikokategorien einordnen soll, wurde bisher nicht aufgegriffen. Deshalb will Tursky noch heuer eine Servicestelle einrichten - als Vorläufer.
Ebenfalls wenig Freude hat der 35-Jährige mit dem damals so schleppenden Beginn des Breitbandausbaus im Land. Bis 2030 werde der Bund 1,4 Milliarden Euro in den Ausbau von Breitband-Internet investieren, verspricht er. „Hätte man damals eine andere Strategie gewählt, hätten wir Geld gespart und würden uns heute leichter tun.“
Seinen Tiroler Dialekt verbirgt er meist hinter gesprochenem Hochdeutsch, nur, wenn er sich ärgert oder sehr freut, werden die CH- und K-Laute härter. Freude kommt bei ihm vor allem bei modernen und neuen technischen Geräten auf. Die digitale Zapfsäule in einem Lokal im Londoner Flughafen Heathrow sorgt für ebenso begeisterte Blicke wie die Fahrt in einem selbstfahrenden Taxi in San Francisco.
Privat ist Tursky seit einigen Jahren mit einer Schweizerin liiert, die Distanz sei auch aufgrund der durch den Job begrenzten Zeit machbar, sagt er. Als die Corona-Pandemie auch die Grenzbalken zwischen Österreich und der Schweiz hinunterrasseln ließ, trafen sich die beiden im Vorjahr zu Ostern bei Feldkirch an der grünen Grenze zur Schweiz. Jeder blieb dabei – gesetzeskonform – auf seiner jeweiligen Seite der Grenze, man prostete sich aus der Distanz zu.
Arbeiten an der eigenen Abschaffung
Eine Rückkehr ins näher zur Grenze gelegene Tirol stand vor einigen Wochen im Raum. Das Gerücht ging um, Turksy könnte es auf den Bürgermeistersessel in Innsbruck abgesehen haben. Doch er dementiert, kein Interesse – vorerst. Denn in der Landespartei gilt der 35-Jährige als Nachwuchshoffnung.
Tursky, der in Wien auf der Straße dagegen praktisch nie erkannt wird, hofft vorerst aber darauf, sein Amt auch unter der nächsten Regierung weiterführen zu dürfen. Er habe noch viel vor. Unter anderem sollen bis 2025 80 Prozent der Menschen im Land über digitale Grundkompetenzen verfügen. Entsprechende Zertifikate sollen über den jeweiligen Wissensstand Auskunft geben. Abseits davon arbeitet Tursky daran, sich selbst abzuschaffen. Denn irgendwann, wenn er seinen Job richtig mache, sei das Land digitalisiert. Dann brauche es so einen wie ihn nicht mehr.