Der Prozess gegen mehrere Ex-Spitzenbeamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist am Montag fortgesetzt worden. Den Angeklagten wird vorgeworfen, einen syrischen General in Österreich untergebracht und ihm trotz Fehlens der Voraussetzungen Asyl verschafft zu haben. Wie dieser Asyl bekam, war Zentrum der Befragung des Ex-BFA-Direktors. Auch der Ex-Generaldirektor für öffentliche Sicherheit sagte aus, konnte sich aber an vieles nicht erinnern.
Vom Mossad soll der General nach Österreich gebracht worden sein, wo er den Beamten des BVT übergeben worden sein soll, so die Anklage. Auf Bestreben des israelischen Auslandsgeheimdienstes sollen die Beamten ihm in Österreich Asyl verschafft haben. Dem syrischen General wird die Mitverantwortung für Folterungen von Gegnern des syrischen Regimes in einem Gefängnis in Ar-Raqqa vorgeworfen. Mittlerweile ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Wien in Bezug auf die Vorgänge in dem syrischen Gefängnis.
"Ich war nicht zu hundert Prozent involviert"
Befragt wurde eine hohe Beamtin im Referat des Zweitangeklagten Bernhard P., die zum damaligen Zeitpunkt neben dem drittangeklagten Chefinspektor die Fachaufsicht über den viertangeklagten Chefinspektor hatte, der als zuständiger Sachbearbeiter den Kontakt zum syrischen General hatte. Als operative Leitung hätte "theoretisch alles über mich laufen müssen", betonte die Beamtin, in der Praxis sehe das jedoch anders aus. Es sei vorgekommen, dass ganze Ebenen übersprungen und Weisungsketten nicht eingehalten wurden.
"Ich war nicht zu hundert Prozent involviert", meinte die Beamtin zur Operation "White Milk", wie die Mission mit dem Ziel, den General nach Österreich zu bringen und ihm dort Asyl zu verschaffen, im BVT und Mossad genannt wurde. Dass sie Informationen über die Operation erhalten habe, sei ihr "nicht erinnerlich". Sie habe damals gerade ihren Masterabschluss gemacht und sei deshalb wohl öfter nicht anwesend gewesen. "Und wenn jemand nicht da ist, geht man zu dessen Vorgesetzten. (...) Ich finde das persönlich auch nicht optimal."
Keine Infos über Kriegsverbrechen
Als Zeuge geladen war auch Konrad Kogler, der damalige Generaldirektor für öffentliche Sicherheit und damit Vorgesetzte des damaligen BVT-Direktors Peter Gridling. Darüber, dass dem General Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden, sei er nicht informiert worden. Auch nicht, nachdem die NGO Commission for International Justice and Accountability (CIJA) 2016 an das Justizministerium herantrat und in einer Besprechung, an der auch zwei der Angeklagten teilnahmen, Bedenken zu dem syrischen Asylwerber äußerte.
Auch wann er das erste Mal von dem General erfahren und ob er sich von den Angeklagten ausreichend über ihr Vorgehen informiert gefühlt habe, sei ihm "nicht mehr erinnerlich". Wer die Operation mit dem ausländischen Partnerdienst abgeschlossen habe, könne er heute nicht mehr sagen. Die inkriminierten Vorgänge liegen etwa acht Jahre zurück, er sei seit sechs Jahren nicht mehr Generaldirektor.
Ex-BFA-Chef als prominenter Zeuge
Ein weiterer prominenter Zeuge war am Montagnachmittag Wolfgang Taucher, der ehemalige Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Er schilderte dem Gericht, wie er erstmals auf den syrischen General aufmerksam gemacht wurde. "Jemand aus dem Büro" von Martin W. habe ihn kontaktiert und ein Treffen mit W., Taucher und dessen Stellvertreter organisiert. Dass dahinter eine Kooperation mit einem ausländischen Nachrichtendienst gelegen habe, habe Taucher erst aus den Medien erfahren.
In der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass Mitarbeiter des BVT auf Beamte des BFA zugekommen sind, um Asylwerber zu "avisieren", vor allem dann, wenn die Beamten Sicherheitsbedenken hatten. Ein "Verschleppen" des Asylverfahrens des Generals – also ein bewusstes Verzögern, wodurch Österreich zuständig wurde – wie es dem angeklagten Leiter der Erstaufnahmestelle OST vorgeworfen wird, "war nicht Kultur im Bundesamt", betonte Taucher. Er habe davon auch erstmals bei seiner Befragung durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gehört.
Die zweite Möglichkeit neben ebenjenem "Verschleppen", dass Österreich für ein Asylverfahren zuständig wäre, obwohl eigentlich bereits ein anderes Land – im Falle des Generals Frankreich – die Zuständigkeit hat, sei das "Selbsteintrittsrecht". Wenn der Antragssteller in dem Land, in dem er sich aufhält, bedroht sei, könne Österreich das Verfahren übernehmen. "Das kann natürlich zu Erhebungen (Anm.: "Gefährdungseinschätzungen") führen", sagte Taucher. In seinen Unterlagen habe er festgestellt, dass diese Information "sehr detailliert" ausgeführt wurde. So sei in der Einschätzung des BVT nicht die Rede von Syrern in Frankreich im Allgemeinen gewesen, sondern konkret von dem General. Eine "erhöhte Gefährdungseinschätzung", wie in dieser festgestellt wurde, "bedeutet, dass auch von Liquidierung die Rede ist", sagte Taucher.
"Operation Red Bull"
Inhalt der Befragungen war auch die "Operation Red Bull". Eine Sachverständige des BVT sei auf Anweisung ihres Vorgesetzten, des zweitangeklagten Ex-Spionagechef Bernhard P., nach Den Haag gereist. Ihr Auftrag sei es gewesen, an einer Adresse, an der man den Sitz der CIJA vermutete, Fotos des Hauses für P. zu machen. Wozu diese Bilder gebraucht wurden, sei ihr nicht gesagt worden. Sie habe lediglich Bilder des Gebäudes gemacht. Weder Pkw zu fotografieren noch personenbezogene Daten aufzunehmen, sei ihre Aufgabe gewesen. Ob der Auftrag direkt von P. kam oder er diesen weitergegeben hätte, etwa von seinem Vorgesetzten, dem Erstangeklagten, krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähigen Martin W., könne sie nicht sagen.
Dazu sagte P., es ging darum, zu überprüfen, ob diese Organisation überhaupt existiere. Er habe "nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet", dass dieses Vorgehen nicht rechtens sein könnte. "Aus der damaligen Sicht hat es keine Zweifel gegeben, dass man diese Organisation verifizieren muss", betonte P.
Von P. kamen aber auch Anschuldigungen gegen den Erstangeklagten – seinen ehemaligen Vorgesetzten, den früheren Abteilungsleiter Martin W. So brachte er die Rolle von Martin W. rund um den Wirecard-Skandal auf. W. soll in die Flucht des ehemaligen Wirecard-Vorstandes Jan Marsalek involviert gewesen sein. "Ich schließe nicht aus, dass die Russen damals wissen wollten, was die Amerikaner wussten." Unter der Prämisse, dass W. diese Ermittlungen geleitet habe, sei nicht auszuschließen, dass "diese Berichte auch in andere Hände geraten sind".
Wohl kein Urteil vor Juni
Das Verfahren gegen W. wurde am ersten Verhandlungstag ausgeschieden, da dieser krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig gewesen sei. Auf die Frage des Verteidigers des Viertangeklagten, Klaus Ainedter, nach dem Status des Martin W. erläuterte die Richterin, dass ein Gutachten den vorgelegten Patientenbrief nicht als ausreichend erachte, um dem Prozess fernzubleiben. "Es wird weiter zu verfahren sein", kommentierte die Richterin. Wann und ob überhaupt Martin W. in das Verfahren wieder einbezogen wird bzw. werden kann, bleibt demnach weiter unklar.
Noch keinen Termin gibt es für die Zeugenbefragung des ehemaligen stellvertretenden Direktors des BVT. Dessen Befragung vor zwei Wochen war nicht möglich, da er eine falsche Dienstadresse angegeben hatte. Auch bei weiteren Zustellungen von Ladungen dürfte es zu Schwierigkeiten gekommen sein, weshalb mit einem Urteil nicht vor Juni zu rechnen ist. "Es ist unglaublich schwierig, Beamte in Österreich an ihrer Dienstadresse zu laden", sagte die Richterin zu Beginn der Verhandlung scherzhaft. Fortgesetzt wird der Prozess am Donnerstag mit Befragungen weiterer BFA-Beamter.