Ungewöhnlich scharfe Kritik an der FPÖ übte der bekannte Publizist Michael Friedman, dessen Familie in den KZs ausgelöscht wurde, bei der großen Gedenkveranstaltung zum Ende der NS-Herrschaft im Parlament. Er habe lang überlegt, ob er die Einladung annehmen soll, so Friedman in Gegenwart von FPÖ-Mandataren, darunter Herbert Kickl und Norbert Hofer. "Ich habe ein großes Unbehagen."
Die FPÖ sei zwar demokratisch gewählt, das mache sie aber nicht automatisch zu einer demokratischen Partei. Im Kern warf der deutsche Philosoph, Publizist und Ex-CDU-Politiker den Freiheitlichen vor, nicht ein demokratisches Grundprinzip, nämlich die Würde aller Menschen, zu respektieren. "Was mache ich mit Abgeordneten, die für sich Respekt beanspruchen, aber den Respekt anderen Menschen nicht zubilligen?" Die FPÖ würde gewisse Gruppen als "Menschen zweiter Klasse" herabwürdigen.
"Wenn wir ernsthaft von 'Wehret den Anfängen' reden, dann stelle ich als Philosoph die Frage: Ist Hass eine Meinung oder ausschließlich Gewalt?", so Friedman, der die Freiheitlichen als "Partei des Hasses" titulierte – und auch die ÖVP in die Verantwortung nahm, die die Freiheitlichen hätte "koschern" wollen, indem sie zweimal mit ihnen koalierte. Der ehemalige Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses verwies etwa darauf, dass die Blauen in Wahlkämpfen mit "eindeutig rassistischen Narrativen" spielen würden, "wo die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird, wo Menschen gegeneinander aufgehetzt werden".
Mit Blick auf die Riege der blauen Abgeordneten meinte Friedman zum Schluss: "Es ist mir die höchste Ehre, Ihnen, die Antidemokraten sind, das ins Gesicht zu sagen." Und: "Wenn ich die Erinnerungskultur ernst nehme, dann erwarte ich, dass dieses Haus glaubwürdiger ist, als es ist."
Kopfschütteln bei Kickl
FPÖ-Chef Herbert Kickl bedachte die Aussagen mit Kopfschütteln. Dem Vernehmen nach wollten einige Freiheitliche, darunter Norbert Hofer, sogar den Saal verlassen, Kickl durchkreuzte das Ansinnen.
Zur Veranstaltung in den historischen Sitzungssaal waren unter anderem die Klubobleute von SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos sowie das Nationalratspräsidium gekommen. Die Regierung war etwa mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) vertreten. Bundespräsident Alexander Van der Bellen war entschuldigt. Er weilt anlässlich der Krönung von König Charles in Großbritannien.