Am ehemaligen Appellplatz des KZ Gusen in der Mühlviertler Gemeinde Langenstein hat das offizielle Österreich Donnerstagabend der Opfer der Konzentrationslager und der Befreiung der Lager Mauthausen und Gusen durch die US-Armee am 5. Mai 1945 gedacht. Inhaltlich stand die Feier im Zeichen des aktuell laufenden Beteiligungsprozesses zur Erweiterung der KZ-Gedenkstätte Gusen, nachdem Österreich im Vorjahr Flächen des ehemaligen Lagers gekauft hat.
Im KZ Mauthausen und seinen mehr als 40 Nebenlagern wurden zwischen 1938 und 1945 etwa 190.000 Menschen gefangengehalten, rund 90.000 überlebten nicht. Gusen war zwar offiziell auch nur ein Nebenlager, in vielen Jahren war die Zahl der Toten dort aber viel höher als im Stammlager. Heute geht man davon aus, dass in Gusen 71.000 Gefangene aus ganz Europa interniert waren, von denen etwa 36.000 zu Tode kamen. Die Häftlinge mussten dort unter enormem Blutzoll eine unterirdische Stollenanlage errichten, in der die Nazis unter dem Decknamen "Bergkristall" eine geheime Rüstungsproduktion betrieben. Viele Häftlinge waren so geschwächt, dass sie Wochen nach der Befreiung durch die US-Armee am 5. Mai 1945 starben.
Während das Zentrum des ehemaligen Hauptlagers Mauthausen 1947 der Republik Österreich mit der Auflage übergeben wurde, eine Gedenkstätte zu errichten, geriet Gusen zunehmend in Vergessenheit. Es gab nur ein kleines Mahnmal, was zuletzt immer wieder für Diskussionen gesorgt hatte. Vor allem Polen - Heimatland vieler Opfer - machte Druck für ein würdigeres Gedenken und wollte das Areal sogar selbst kaufen. Im Vorjahr erwarb die Republik Österreich einige Flächen und Gebäudereste, darunter den ehemaligen Appellplatz, den Schotterbrecher und zwei SS-Verwaltungsgebäude. In den kommenden Jahren sollen sie in die bestehende Gedenkstätte Gusen integriert werden.
Offizielles Gedenken
Wie bereits im Vorjahr beging das offizielle Österreich Donnerstagabend - nach einer nicht öffentlichen Zeremonie in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen - auf dem ehemaligen Appellplatz das Gedenken an die Opfer von Gusen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP), mehrere schwarze wie grüne Mitglieder der Bundesregierung sowie Mandatare von SPÖ und NEOS vertraten die Republik Österreich. Botschafter der Opfernationen waren ebenfalls anwesend.
In den Beteiligungsprozess zur Neugestaltung der Gedenkstätte in Gusen seien derzeit rund 100 Personen aus 20 Nationen eingebunden, schilderte die Direktorin der Gedenkstätte Mauthausen, Barabara Glück. Anstatt großer Reden gab es heuer einen Blick nach vorne - mehrere an dem Prozess Beteiligte umrissen das Wertegerüst, auf dem die Gedenkstätte fußen soll, von Internationalität über Toleranz und Würde bis hin zu Wertschätzung und Begegnung. Es solle ein "Ort der internationalen Verständigung und der nationalen Verantwortung" werden, so Glück.
"Antisemitismus, Rassismus, Totalitarismus, Diktatur, Abschaffung der Meinungsfreiheit und Abschaffung der Demokratie führen zu dem, was wir hier sehen", sagte Nehammer. Er wünsche dem Projekt alles Gute und versprach, "die Unterstützung der Bundesregierung ist sichergestellt." Karner hatte zuvor in einer Aussendung betont, "die laufende Neugestaltung der Gedenkstätte Gusen soll einen Ort der Erinnerung und der Begegnung für die nächsten Generationen ermöglichen".
Gusen-Überlebender als Ehrengast
Ehrengast war der Gusen-Überlebende Stanislaw Zalewski (97), der 545 Tage hier gefangen war. Er war im Warschauer Ghetto im Widerstand gewesen und wurde zuerst nach Auschwitz gebracht, danach nach Gusen, wo er im Steinbruch und im Stollensystem arbeiten musste. Am 2. Mai 1945 seien die Wachen geflohen, der sogenannte Volkssturm habe die Wachtürme übernommen, Kapos seien gelyncht worden, schilderte er im Gespräch mit der APA. "Es herrschte unbeschreibliches Chaos." Nach der Befreiung durch die Amerikaner am 5. Mai 1945 sei er zwischenzeitlich in die US-Armee aufgenommen worden. Heim nach Warschau ging er schließlich zu Fuß, 78 Tage lang.
Wie er den Umgang mit dem ehemaligen KZ-Areal, auf dem heute teilweise Wohnhäuser stehen, bewertet? Er sei kein Richter, meint er, aber als er 38 Jahre nach der Befreiung mit seinem Sohn - zum ersten Mal - wieder hierherkam, habe dieser gesagt:"Wo ist der Stollen?". Jeder, der in eine Gedenkstätte kommt, solle sich nach einer gewissen Zeit so fühlen, als wäre er selbst Insasse, erklärte er am Donnerstag in einem Pressegespräch in Wien. Deshalb solle auch die Infrastruktur so bleiben, wie sie zur Zeit des Lager-Betriebes gewesen sei, und es solle vor Ort geforscht werden. Sein Wunsch für Gusen: Es solle "resistent gegen die Winde der Geschichte" werden.
Nach der Feier erinnerte die Licht- und Klanginstallation #eachnamematters in Kooperation mit der Ars Electronica im Eingangsbereich des Stollensystems - auch hier hat die Republik Areale erworben - an die Opfer. Die Namen von Zehntausenden KZ-Opfern werden breitflächig projiziert und gleichzeitig verlesen. Der Gedenkfeier in Gusen folgen in den kommenden Tagen noch zahlreiche weitere anlässlich der Befreiung Österreichs vom NS-Terrorregime: Am 7. Mai werden Abordnungen aus aller Welt zur traditionellen Befreiungsfeier in Mauthausen erwartet, am Montag steigt am Wiener Heldenplatz das "Fest der Freude.