Dienstagmittag war es so weit: Einstimmig entschied sich das Präsidium der Salzburger Volkspartei von Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen unter Marlene Svazek aufzunehmen. Damit haben tagelange Spekulationen nach der Landtagswahl am 23. April ein Ende. Haslauer hatte vergangene Woche die Idee einer "Allianz für Salzburg" ventiliert, einer Dreierkoalition aus ÖVP, FPÖ und SPÖ – die beide anderen Parteien aber abgelehnt hatten.
Die Frage, welche politische Kultur mit einer Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen legitimiert werde, sei im Präsidium diskutiert worden, so Haslauer. Er sehe aber eine Chance für die FPÖ, von ihrem bisherigen Rollenverständnis in Salzburg in ein konstruktiveres Verhältnis umzuschwenken. Seine Vorbehalte gegen Herbert Kickl blieben allerdings aufrecht.
Er werde Landeshauptmann bleiben, räumte Haslauer auch Spekulationen über einen Rücktritt aus dem Raum. "Meine Aufgabe ist es, eine tragfähige Regierung im Interesse des Landes zusammenzubringen. Hier sind persönliche Befindlichkeiten hintanzustellen", sagte er. Bisher stand er einer Koalition mit den Freiheitlichen in Salzburg stets skeptisch gegenüber. "Die Stimmung in der Bevölkerung ist im Wesentlichen, man solle es einmal mit der FPÖ versuchen. Die Freiheitlichen sollen nun zeigen, was sie können."
Eine Zweierkoalition mit der SPÖ "ist aus unserer Sicht derzeit nicht möglich", so der Landeshauptmann. Eine solche sei angesichts der knappen Mandatsmehrheit von nur einem Sitz nicht stabil genug. Mit den Grünen – die als dritter Partner die Mehrheit hätten absichern können – gebe es zu viele inhaltliche Differenzen.
FPÖ: "Wählerwille ist zu akzeptieren"
Erfreut zeigt sich FPÖ-Landesparteichefin Svazek: "Wir sind angetreten, um Verantwortung zu übernehmen. Es freut uns, dass auch die ÖVP eingesehen hat, dass der Wählerwille zu akzeptieren ist", teilte sie in einer Aussendung mit. Anders als die SPÖ seien die Freiheitlichen nicht nur ein stabiler, sondern auch ein pakttreuer Partner, bei dem sich keine Führungsfrage stelle.
Die SPÖ weist die Schuld am Scheitern der Dreierkoalition zurück. Wenn die FPÖ eine Deutschpflicht in Schulhöfen verlange oder das Beherrschen der deutschen Sprache Voraussetzung für den Erhalt einer geförderten Wohnung sein soll, dann gehe das für ihn einfach nicht, so Parteichef David Egger. Daher wäre er nicht über Nacht in Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und FPÖ eingetreten. "Was da am Tisch gelegen ist, war ein unmoralisches Angebot." Er sei nun froh, dass das "House-of-Cards-Spiel" ein Ende habe, sagt Egger.
Mit der Weichenstellung in Salzburg – bisher war das Land schwarz-grün-pink regiert, was nun mangels Mehrheit nicht mehr möglich ist – dürften demnächst drei Bundesländer von einer schwarz-blauen Koalition regiert werden: Nach Oberösterreich, wo die Zusammenarbeit von Thomas Stelzer (ÖVP) und Manfred Haimbuchner (FPÖ) Ende 2021 verlängert worden war, hat auch Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Niederösterreich Anfang dieses Jahres einen Pakt mit der FPÖ unter Udo Landbauer beschlossen – übrigens ebenfalls nachdem sie eine solche Kooperation ausgeschlossen und zunächst Avancen in Richtung SPÖ gemacht hatte.
Mehrheit für Schwarz-Blau im Bund wahrscheinlich
Münden die Verhandlungen in Salzburg nun in einer Koalition, lebt fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher – 3,3 von 7,4 Millionen – in dieser "Westbahnachse" der nördlichen Bundesländer.
Ob das ein Vorbild für den Bund sein könnte, ist offen. Die Mehrheit dafür scheint im Moment realistisch: Die Freiheitlichen unter Herbert Kickl sind seit Monaten im Umfragehoch, ihnen würde bei einer Nationalratswahl ein Ergebnis um oder knapp unter 30 Prozent vorhergesagt. Sie lägen damit deutlich vor der ÖVP, der ein Absturz auf rund 20 Prozent der Stimmen vorhergesagt wird.
Eine Koalition mit der "Kickl-FPÖ" hat die Volkspartei von Bundeskanzler Karl Nehammer bisher immer ausgeschlossen. Unter Kickl – er war Innenminister in der ersten türkis-geführten Bundesregierung von 2017 bis 2019 – hätten sich die Freiheitlichen "massiv radikalisiert", erklärte Nehammer.
Kickl: "Niemand kann uns bremsen"
Wie es im Bund weitergeht, könnte nicht zuletzt von der SPÖ abhängen, die gerade die Halbzeit in ihrer Mitgliederbefragung vermeldet – Ende des Monats soll klar sein, wer die Partei führt. Das könnte Auswirkungen auf Wählerpotenzial und Koalitionsoptionen der Sozialdemokraten haben – eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen haben alle drei Kandidaten ausgeschlossen.
Kickl ficht das nicht an: "Nichts und niemand kann uns bremsen", hatte der FPÖ-Chef am 1. Mai in Linz proklamiert. Das Land brauche einen freiheitlichen "Volkskanzler", der der Bevölkerung diene und nach oben trete. "Zuerst sperren wir die Asylantenheime zu und dann machen wir den Wahnsinn mit der ORF-Abgabe rückgängig", so Kickl: "Machen wir's dem Orbán nach, bauen wir die Festung Österreich."
Georg Renner