Herr Dankl, hat sich der überraschende Sieg bei Ihnen schon gesetzt?
KAY-MICHAEL DANKL: Ich bekomme am Tag immer noch zehn, 15 Anrufe von Medien aus aller Welt. Jeder kennt Salzburg. Für viele ist es eine Art Disneyland zwischen Mozart und Sound of Music. Die Leute wundern sich, wie so ein Wahlergebnis in einer Stadt zustande kommen kann, in der die Welt noch scheinbar heil ist.
Ist sie das nicht weitgehend?
Salzburgs Schlüsselproblem sind die in den letzten Jahren stark gestiegenen Wohnkosten. Für eine 70-Quadratmeter Mietwohnung in der Stadt zahlt man mittlerweile im Durchschnitt 1.300 Euro im Monat. Viele Menschen fragen sich zu Recht: Was ist in fünf Jahren? Sind wir dann ein zweites München, wo ein Normalsterblicher nicht mehr in der Stadt leben kann?
Ist die Wohnungsnot der einzige Grund für Ihren Erfolg?
Sehr viele Menschen sind von den Parteien enttäuscht. Es wäre zu leicht, das mit dem Pandemie-Management der Bundes- und Landespolitik oder mit ihrem Umgang mit der Teuerung zu erklären. Die Wurzeln reichen tiefer. Bei der letzten Gemeinderatswahl 2019 ist die halbe Stadt Salzburg den Urnen fern geblieben, weil die Leute offenbar keine Hoffnung mehr haben, dass die Stadtregierung spürbar ihren Alltag verbessern könnte. Als KPÖ plus sind wir sehr präsent. Wir haben Hausbesuche gemacht, sind ansprechbar, kümmern uns um die Sorgen der Leute. Man kennt das aus Graz.
Auch die Volkshilfe kümmert sich um die Leute am Rand. Was an Ihrer Arbeit ist kommunistisch?
Es stimmt, dass wir das Label nicht wie eine Monstranz vor uns her tragen. Aber natürlich sind wir kapitalismuskritisch.
Das ist der Papst auch.
In Salzburg wird viel über die steigenden Wohnkosten geredet. Worüber weniger gesprochen wird, ist, dass der Wohnbau eine Goldgrube für Investoren ist. Man muss nicht alles teilen, was Marx schreibt. Aber seine These, dass ungezügeltes Profitstreben dazu führt, dass alles zur Ware wird, die bewahrheitet sich in Salzburg buchstäblich vor der Haustür.
Sollen nur noch Gemeindewohnungen gebaut werden?
Ich würde das nicht auf eine Staatswirtschaft beschränken. Gerade die österreichische Geschichte zeigt, dass Staatsbetriebe ihren Versorgungsauftrag oft falsch verstanden haben. Sie haben nicht die Bevölkerung versorgt, sondern ihre Parteifreunde. Man müsste viel mehr gemeinnützigen Wohnraum schaffen. Das kann über die Kommune laufen, das Land oder Wohnbauträger, mit den Beiträgen aus der Wohnbauförderung. Die Mieter zahlen die Grundstückserwerbs- und Errichtungskosten von der monatlichen Miete zurück, und wenn das abbezahlt ist, sinken die Mieten deutlich.
Ist Eigentum unanständig?
Ich habe meine eigene Zahnbürste und mein eigenes Fahrrad. Daran ist nichts Verwerfliches. Ich verstehe auch, dass Leute in Salzburg, die sich – so es irgendwie geht – als Vorsorge eine Wohnung kaufen, auch wenn das nicht die beste Lösung ist. Unanständig ist der extreme Reichtum einiger weniger auf Kosten der Mehrheit. Wir haben heute eine Vermögenskonzentration, die mit individueller Leistung nichts mehr zu tun hat.
Ist es erwerflich, wenn Private Wohnungen vermieten?
Nein. In Salzburg muss man froh sein, wenn sie vermieten. Wir haben viele Festspielwohnungen, die zwei, drei Wochen bewohnt sind und das übrige Jahr leer stehen. Die fehlen dann am angespannten Wohnungsmarkt.
Marx, Engels und Lenin wollten eine neue klassenlose Gesellschaft. Teilen Sie Ihren Glauben daran?
Das Ziel ist sicher eine befreite Gesellschaft, wo wir nicht mehr die Klassentrennlinien haben wie heute. Die Frage ist wie kommt man dorthin? Man darf sich nicht vor der Kopfarbeit drücken, auch die Theoretiker an das Hier und Jetzt anzupassen. Schließlich wurden im Namen des Kommunismus genug Irrwege beschritten und Verbrechen begangen. Was man als Linker aus dem 20. Jahrhundert lernt, ist, dass man nichts autoritär vorgeben kann, sondern auf demokratischem Weg eine Korrektur anstreben muss.
Der Weg, den Marx und Lenin vorgeben, ist aber kein demokratischer. Die wollten ihre bessere Welt gewaltsam schaffen.
Ich glaube, dass eine gesellschaftliche Transformation nur demokratisch möglich ist.
Können Sie ein Beispiel für eine geglückte kommunistische Demokratie auf der Welt nennen?
Nein. Aber es gibt spannende Ansätze. Ich nenne nur das rote Bologna. Die Schwierigkeit ist, zu fragen: Was heißt das auf einer staatlichen Ebene? Der Klassiker, auf den man immer angesprochen wird, ist Kuba. Dort gibt es Errungenschaften wie die Alphabetisierung und das im Vergleich zu anderen Ländern in Mittelamerika gut ausgeprägte Gesundheitssystem. Die Gefahr ist halt immer, dass man aus falsch verstandener Solidarität die Augen verschließt vor dem, was schief läuft, vor der politischen Repression und den Menschenrechtsverletzungen. Diese Dinge sollte man gerade aus einer linken Solidarität heraus offen aussprechen.
Die Idee ist gut, die Ausführung schlecht. Vom Faschismus würde das zu Recht keiner sagen. Fragen Sie sich nie, ob nicht doch ein direkter Weg von Marx zu Pol Pot führt?
Es gibt schon Unterschiede. Im Faschismus sind die Ungleichheit im Wert von Menschen, das Antidemokratische und der Führerstaat bereits in der Ideologie angelegt. Das sehe ich bei Marx nicht. Die Frage ist immer, was ist das Ideenspektrum und was macht man daraus? Niemand ist davor gefeit, korrumpiert zu werden, wenn er zu lange an der Macht ist. In Salzburg hat der katholische Fürsterzbischof Juden verbrannt, die protestantischen Salzburger vertrieben, und einen Gottesstaat aufgebaut. Wie kann man sich da noch Erzbischof nennen?
Ihr Vorbild ist die Grazer KPÖ. Stört es Sie, dass im Programm der steirischen Kommunisten die Auflösung der Sowjetunion als „Katastrophe“ bezeichnet wird?
Ich bewerte hier vieles anders. Aber ich frage mich, wie sehr solche Sätze für die Arbeit von Elke Kahr stehen. Kommandowirtschaft und Diktatur sind sicher nicht ihr Ziel. Noch als Bürgermeisterin gibt sie einen Teil ihres Gehalts ab, hält Sprechstunden für die Bürgerinnen und Bürger ab. Das ist Knochenarbeit, Woche für Woche. Aber es gelingt auf diese Weise halt, von der Politik Enttäuschte anzusprechen, die keine Zeitung mehr lesen, nicht mehr über das Fernsehen erreichbar sind und sich von sich aus nicht für Politik interessieren.
Sie sind Bogenschütze, was kann man da für die Politik lernen?
Entspanntheit. Konzentration. Das Schöne am Bogenschießen ist, dass man einfach einmal Ruhe hat und nachdenken kann.