Bundespräsident Alexander Van der Bellen wünscht sich ein rasches Ende der österreichischen Grenzkontrollen zu Slowenien. "Ich hoffe aufrichtig, dass die bestehenden Grenzkontrollen bald eingestellt werden können oder wenigstens durch weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden können", sagte Van der Bellen am Montag nach einem Treffen mit seiner slowenischen Kollegin Nataša Pirc Musar in Wien. Auf Nachfrage schloss er sich ihrer Forderung nach einer Lösung bis Sommer an.
"Rechtswidrige" Grenzkontrollen
"Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass das noch vor dem Sommer passieren wird, damit wir nicht in der Blechschlange zwischen Slowenien und Österreich rösten werden", sagte die slowenische Präsidentin mit Blick auf den Urlaubsverkehr. "Als ich gestern nach Wien gefahren bin, gab es Kolonnenverkehr auf der slowenischen Seite der Grenze. Wir müssen vor der Urlaubssaison darüber nachdenken, wie wir das regeln", brachte die 54-Jährige ein pragmatisches Argument. Zugleich bekräftigte die Juristin die Position Sloweniens, dass die bereits seit acht Jahren bestehenden Grenzkontrollen "rechtswidrig" sind.
Sie sei "Optimistin", weil sich die Innen- und Außenminister beider Länder um eine Lösung bemühten und auch schon Vorschläge auf dem Tisch lägen, "wie man eine andere Art von Kontrollregime machen kann, und zwar nicht an der Grenze". Van der Bellen wies darauf hin, dass man schon in der Vergangenheit "mit Stichprobenkontrollen im Land die Grenzen entlastet und verhindert hat, dass kilometerlange Schlangen entstehen". Diesbezüglich äußerte der Bundespräsident die Einschätzung, dass bei Grenzkontrollen "letztlich auch nicht viel herausschaut, was das Problem der irregulären Wanderungen betrifft".
Van der Bellen pocht auf "manageable" Lösung
Van der Bellen ließ auch Skepsis gegenüber der Argumentation des Innenministeriums erkennen, das die Grenzen zu Slowenien kontrollieren lässt, jene zu Italien aber nicht. "Den Unterschied zwischen Italien und Slowenien kann ich Ihnen auch nicht erklären. Ich bitte, die Frage an den zuständigen Minister zu richten", sagte er auf eine entsprechende Frage der APA. Auch bei der Frage der Schengen-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien sei er "ganz anderer Meinung" als die türkis-grüne Bundesregierung gewesen, fügte er hinzu. Er könne nur hoffen, dass im Fall Sloweniens "bis zum Sommer" eine Regelung gefunden werde, "die manageable ist".
Die politische Quereinsteigerin Pirc Musar steht seit Dezember an der slowenischen Staatsspitze. Bei ihrem Antrittsbesuch in Österreich empfing sie Van der Bellen am Montagvormittag mit militärischen Ehren am Inneren Burghof. Nach ihrem Gespräch präsentierten sich die beiden als Du-Freunde. Sie hoben ihren Gleichklang bei den Themen Ukraine-Krieg, Klima und EU-Erweiterung hervor und bekannten sich auch zum Schutz der slowenischen Volksgruppe in Österreich. Während Van der Bellen diesbezüglich die in der jüngsten Vergangenheit erfolgten Verbesserungen hervorhob, appellierte Pirc Musar zu Lösungen im Bereich der Gerichtssprache und Bildung. "Ohne Sprache können wir uns keine Minderheit vorstellen", betonte sie. Van der Bellen äußerte umgekehrt den Wunsch, dass Slowenien zum Erhalt der deutschsprachigen Volksgruppe im Land beitrage. Er freue sich, dass Pirc Musar diesbezüglich "meine positive Einstellung teilt".
Auch Ukraine Thema
Beim Thema Ukraine drängte Van der Bellen darauf, "dass wir eng auf europäischer Ebene zusammenarbeiten, zusammenstehen und weiterhin mit einer Stimme sprechen". Pirc Musar fokussierte auf stärkere Friedensbemühungen. "Ich hoffe, dass die Friedensverhandlungen schon bald beginnen werden", sagte die slowenische Präsidentin. Sie wisse, dass auch Van der Bellen "viel darüber nachdenkt, wie man zu Frieden kommen kann", betonte die politische Quereinsteigerin, die den Bundespräsidenten im Präsidentschaftswahlkampf als Vorbild genannt hatte.
Der Ukraine-Krieg mache auch eine rasche EU-Annäherung des Westbalkans zu einem "geostrategischen Muss", sagte Van der Bellen. "Präsidentin Pirc Musar und ich sind einer Meinung, dass eine realistische Beitrittsperspektive für die Länder der Region wichtiger ist denn je." Die slowenische Präsidentin kündigte an, im Rahmen der Brdo-Brioni-Initiative der EU-Mitglieder Slowenien und Kroatien mit den Ländern des Westbalkans eigene Akzente setzen zu wollen. Konkret plane sie einen Vorstoß zum Thema Klimaschutz und Jugend, weil es sich dabei nicht um Fragen handelt, "die uns politisch entzweien".
Pirc Musar hob grundsätzlich auch die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Politik hervor. "Wenn wir vorbildlich zusammenarbeiten, werden das auch unsere Völker tun", sagte die frühere Informationsfreiheitsbeauftragte Sloweniens, die konkret auch an die "freundschaftliche Beziehung" Van der Bellens mit ihrem Vorgänger Borut Pahor anknüpfen will. Sie ist das erste weibliche Staatsoberhaupt in der Geschichte Sloweniens. Van der Bellen bezeichnete es auf Twitter als eine "Ehre", Pirc Musar in Wien zu empfangen. "Wir sind mehr als Nachbarn, teilen eine lange gemeinsame Geschichte, europäische Werte, Ideale und Ziele. Gemeinsam gedeihen wir."
Erstmals trafen einander die beiden im Dezember, wenige Tage vor dem Amtsantritt Pirc Musars. Van der Bellen war damals nach Ljubljana gereist, um sich vom scheidenden Präsidenten Pahor zu verabschieden. Die neue slowenische Präsidentin wollte sich am Montag auch die Klimt-Ausstellung im Unteren Belvedere ansehen und mit Sloweninnen und Slowenen zusammentreffen, die in Wien leben, arbeiten und wirken. Dazu zählte einst Pirc Musar selbst, hat sie doch im Jahr 2015 am Wiener Juridicum ihren Doktortitel der Rechtswissenschaft erworben.