Dritter Verhandlungstag im Amtsmissbrauch-Prozess gegen ehemalige Spitzenbeamte des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und einen Spitzen-Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), die 2015 einen syrischen General und möglichen Kriegsverbrecher nach Österreich gebracht und diesem hier Asyl verschafft haben sollen. "Das ist ein Blödsinn, was in der Anklage steht", hielt ein Chefinspektor am Dienstag fest.
Der Beamte war federführend mit der operativen Umsetzung einer Kooperationsvereinbarung befasst, die das BVT mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad geschlossen hatte. Demnach sollte der General, der in Raqqa ein Gefängnis geleitet hatte und von Folterungen von Gegnern des syrischen Regimes zumindest gewusst haben soll, nach Österreich gebracht werden, weil er in Frankreich, wo er bereits um Asyl angesucht gehabt hatte, angeblich nicht mehr sicher war. Dessen Gefährdung sei ihm "absolut plausibel" erschienen, gab der Ex-Chefinspektor am Wiener Straflandesgericht zu Protokoll: "Wenn jemand in seiner Funktion vom syrischen Regime desertiert, ist er gefährdet. Er ist ja Geheimnisträger." Im Auftrag seines Vorgesetzten – eines mitangeklagten, aber krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähigen früheren BVT-Abteilungsleiters – habe er hinsichtlich des Generals eine "Gefährdungsprognose für das BFA" erstellt, schilderte der Beamte. Deren Inhalt habe er vom Abteilungsleiter übernommen, der die entsprechenden Informationen "vom Partnerdienst" bezogen hätte: "Wenn ich als Schreibkraft des Abteilungsleiters missbraucht werde, dann ist das so. Das hinterfragt man nicht. Weisung ist Weisung." In der ganzen Sache sei "überhaupt nichts passiert ohne Auftrag und ohne Rücksprache" mit dem Abteilungsleiter, betonte der Beamte.
Für den General ein Asylverfahren einzuleiten, obschon in Frankreich eines im Laufen war, sei aufgrund einer "Weisung von oben" erfolgt, erklärte der Ex-Chefinspektor. Er habe die maßgeblichen fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht im Detail gekannt, sondern sich an seine Vorgaben gehalten: "Wir sind Hierarchie. Wir sind verpflichtet, Weisungen nachzukommen." Man könne nicht "anfangen, jede Weisung zu hinterfragen".
Deal mit Mossad habe Österreich genutzt
Er selbst habe sich einen Nutzen für Österreich aus der Kooperationsvereinbarung mit dem Mossad erwartet, bemerkte der Ex-BVT-Chefinspektor: "Die haben wir auch bekommen." Der General sei ja vom Mossad vernommen worden, er sei bei Befragungen des Offiziers teilweise dabei gewesen. Auch für Österreich relevante Informationen über die Lage in Syrien und nach Europa geflüchtete Syrer seien dabei zutage gekommen: "Die sind verschriftet worden vom Partnerdienst." Es handle sich um "streng Klassifiziertes", das sich "im Eigentum des Partnerdienstes" befinde. Dieser sei "verpflichtet, die nicht herzugeben".
Der BVT-Beamte übernahm im Sommer 2015 den General in Salzburg, wohin er aus Frankreich gebracht worden war, chauffierte diesen nach Traiskirchen, war bei dessen fremdenpolizeilicher Erstbefragung dabei und besorgte ihm eine Unterkunft. Bereits am 2. Dezember 2015 erhielt der syrische General Asyl. Eine Gefährdung der Sicherheitslage in Österreich sei dadurch nicht gegeben gewesen, meinte der Angeklagte unter Verweis auf "Informationen aus der Community".
Anfang 2016 trat dann eine NGO – die Commission for International Justice and Accountability (CIJA) – mit Hinweisen auf mögliche Kriegsverbrechen des Generals ans Justizministerium heran. Dazu bemerkte der angeklagte frühere BVT-Chefinspektor, die CIJA habe "bis zum heutigen Tag keinen einzigen Beweis für Kriegsverbrechen" geliefert. Seine Vorgesetzten hätten allerdings unverzüglich den israelischen Partnerdienst "einbestellt". Am 15. Februar 2016 sei eine Delegation aus Israel nach Österreich gekommen und habe in einem abhörsicheren Raum "versichert, dass dezidiert keine Hinweise auf Kriegsverbrechen vorliegen".
Mittlerweile dürfte sich diese Einschätzung geändert haben. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen den General wegen Beteiligung an Körperverletzungen und Folter in Syrien, wobei sich die Erhebungen auf den Zeitraum 2013 beziehen. Was den fremdenrechtlichen Status des möglichen Kriegsverbrechers betrifft, wurde ein Asyl-Aberkennungsverfahren durchgeführt. Der Mann hält sich aber auf Basis eines sogenannten Duldungsrechts weiter in Österreich auf – er kann de facto aus menschenrechtlichen Gründen nicht nach Syrien abgeschoben werden, da er dort mit einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben rechnen müsste.
"Vertrauen in Ermittlungsbehörde verloren"
Ebenfalls befragt wurde der ehemalige Chefinspektor zur "Causa Tulpe". Fragen beantwortete er aber nur jene der Richterin und seines Verteidigers, da er "das Vertrauen, dass die Ermittlungsbehörde objektiv ermittelt" verloren habe. Die Oberstaatsanwältin bekam von dem Beamten mehrmals "Ich mache von meinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern" zu hören.
Zur Causa: Vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Oberösterreich wurde das BVT informiert, dass sich in OÖ ein Asylwerber befinde, der ebenfalls in Raqqa als hochrangiger Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes tätig war. Der Chefinspektor habe daraufhin seinen Vorgesetzten, den erstangeklagten Ex-Spionagechef, darüber informiert, dass er – noch vor dem eigentlich zuständigen Extremismusreferat – mit dem Asylwerber sprechen wolle. Er sei davon ausgegangen, dass der Mann nicht mehr mit ihm sprechen würde, falls Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen begonnen hätten, und befragte den Mann letztlich im September 2016. "Ich habe den Akt aber nie an mich gerissen", betonte der Beamte. Aufgrund eines "Kommunikationsproblems" sei letztendlich das Referat Nachrichtendienst zuständig gewesen.
Verdacht, weil General "zu freundlich" war
Als Sachbearbeiter für arabische Nachrichtendienste sei diese Befragung genau in seinen Aufgabenbereich gefallen. Er habe aber auch "menschliches Interesse" gehabt, mehr über den syrischen General zu erfahren, den er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr betreut hatte. Für den Geschmack des oberösterreichischen Asylwerbers sei der General "zu freundlich gewesen zu den Leuten". Generell habe dieser nichts Negatives über den General zu sagen gewusst, so der Beamte.
Die Anklage wirft dem Beamten auch vor, die Staatsanwaltschaft Wien nicht über diese Befragung und den möglichen Zeugen informiert zu haben, obwohl er gewusst haben müsste, dass bei dieser ein Verfahren gegen den General anhängig war. Ihm sei dieses Verfahren jedoch nicht bekannt gewesen. Letzten Endes bekam der oberösterreichische Asylwerber kein Asyl, der General schon, obwohl die Fälle ähnlich gewesen seien, so die Richterin.