Christian Pilnacek war einst der höchste Beamte im Justizministerium. Seit zwei Jahren darf der frühere Generalsekretär dort allerdings nicht mehr arbeiten. Der Chef der Strafrechtssektion ist suspendiert. Das könnte sich ändern. Allerdings nicht so bald, wie der Spitzenjurist erhofft hätte. Am heutigen Mittwoch wehrte sich Pilnacek einmal mehr gegen die Vorwürfe, am 27. April kommt die Disziplinarbehörde erneut zusammen. Pilnacek bleibt folglich vorerst suspendiert.

Verratene Hausdurchsuchung

Der schwerste Vorwurf: Pilnacek soll 2019 eine Hausdurchsuchung bei dem Investor Michael Tojner an dessen Anwalt, den früheren Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), verraten haben. Das vermutet die Staatsanwaltschaft (StA) Wien, die seither gegen die beiden Spitzenjuristen ermittelt. Sowohl Pilnacek als auch Brandstetter bestreiten diesen Vorwurf, es gilt die Unschuldsvermutung.

Von einem rein freundschaftlichen Austausch sprach Pilnacek laut Ö1-"Mittagsjournal" bei der Verhandlung vor der Disziplinarbehörde. Dass es sich doch um eine Rechtsauskunft an den engsten Mitarbeiter eines Finanzministers gehandelt haben könnte, verneinte er. In diesem Fall hätte es den offiziellen Weg genommen, ohne dass er dabei eingebunden gewesen wäre.

Die Information sei in die andere Richtung geflossen, erklärte Brandstetter im U-Ausschuss unter Wahrheitspflicht: Er habe als Anwalt erfahren, "dass aus Journalistenkreisen bekannt wurde, es ist eine Hausdurchsuchung geplant. Das war ungefähr 14 Tage vorher. Daraufhin habe ich gesagt: Ja, um Gottes willen, das müssen wir der Behörde mitteilen, da ist offenbar etwas geleakt worden!"

Umstrittene Chats

Im Rahmen der Ermittlungen wurde Pilnaceks Handy genauer durchsucht. Das brachte weitere Vorwürfe ans Licht - und Pilnacek vor Gericht: Dass er eine Anzeige der WKStA gegen eine Journalistin der "Presse" an eine andere Journalistin weitergegeben hatte, reichte der Richterin am Wiener Landesgericht für Strafsachen allerdings nicht für eine Verurteilung: Pilnacek habe zwar offen zugegeben, das Geheimnis verraten zu haben, doch es habe gar kein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der Anzeige bestanden, erklärte sie ihren Freispruch.

Als die WKStA 2021 Hausdurchsuchungen im Finanzministerium durchführen ließ, schrieb Pilnacek als Generalsekretär des Justizministeriums an Blümels damaligen Kabinettschef Clemens-Wolfgang Niedrist: "Das ist ein Putsch!!", fragte: "Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?" und empfahl, Rechtsmittel gegen die Hausdurchsuchung einzulegen. In einer anderen Chatnachricht bat Pilnacek den früheren steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, seine Frau zur Leiterin des Oberlandesgerichts Graz zu befördern.

"Exportieren wir den VfGH nach Kuba", hatte Pilnacek außerdem an den damaligen Verfassungsrichter Brandstetter geschrieben. Immerhin könne man "einem vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat nicht mehr dienen". Brandstetter legte aufgrund dieser Chats seine Funktion im Verfassungsgerichtshof (VfGH) zurück. Laut Ö1 kritisierte Pilnacek am Mittwoch abermals die Ermittlungen gegen seine Person. So sei sein Mobiltelefon schlampig und unvollständig ausgewertet worden, weswegen sich ein einseitiges Bild ergeben würde. Er sei zu Unrecht suspendiert worden.

Wackelnde Suspendierung

Im Justizministerium gibt es durchaus Stimmen, die sich eine Rückkehr des Spitzenjuristen wünschen. Während die grüne Justizministerin Alma Zadić darüber wohl wenig erfreut wäre, setzt Pilnacek alles daran, seine Suspendierung aufheben zu lassen. Schon 2021 hatte die Disziplinarbehörde im Sinne Pilnaceks entschieden und die Suspendierung aufgehoben. Das Justizministerium legte allerdings Berufung ein und bekam vor dem Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof (VwGH) recht, die Freistellung blieb aufrecht.

Eine Entscheidung der Disziplinarbehörde wäre daher ebenfalls nur ein erster Etappensieg für Pilnacek: An seinen Arbeitsplatz zurückkehren könnte der Spitzenbeamte erst, wenn über die Angelegenheit rechtskräftig entschieden wurde. Und das dürfte dauern: Der Instanzenzug bis zum VwGH dauerte zuletzt rund ein Jahr.