Worum geht es bei der "Equip4Ordi"-Affäre?

Schwerer Betrug, Untreue und Begünstigung lauten die Vorwürfe, denen die Staatsanwaltschaft Wien zurzeit in der Wiener Ärztekammer nachgeht. In einer Tochtergesellschaft der Wiener Kurie niedergelassener Ärzte, der mittlerweile aufgelösten "Equip4Ordi GmbH" (E4O), soll grobes Missmanagement stattgefunden haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Geschäftsführer der E4O und einen Mitarbeiter der Ärztekammer. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Was wird dem Ärztekammer-Präsidenten vorgeworfen?

Die drei Beschuldigten geben an, im Auftrag von Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart, der im Zeitraum der Vorwürfe Obmann der Kurie war, gehandelt zu haben. Dieser bestreitet das.

Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart
Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart © APA/GEORG HOCHMUTH

Außerdem soll Steinhart, just als der damalige Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, auf Urlaub war, Sideletter abgeschlossen haben. Der Geschäftsführer der "ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst ErrichtungsgesmbH", die als Holding über der E4O stand, soll so eine bis Ende 2029 unkündbare Monatsgage von 6800 Euro erhalten haben, wie zuerst "Dossier" aufdeckte.

Dass Lizenzen für eine Arztpraxis-Software als Wahlkampfgeschenke für die ÖVP-nahe "Vereinigung Österreichischer Ärztinnen und Ärzte – Liste Steinhart" – kurz "Vereinigung" – verteilt worden sein könnten, sei "unwahr" und eine "reine Erfindung", betont der Ärztekammer-Präsident.

Viele Antworten gibt Steinhart allerdings nicht. Mehr als 50 Fragen wurden ihm am 7. Februar schriftlich übermittelt, bis Ende März hatte er sich jedenfalls nicht geäußert - auch zur Irritation der Beschuldigten, wie ein Bericht eines mit der Prüfung beauftragten Rechtsanwalts zeigt:

© Auszug aus dem Bericht über die E4O

Wie wurden die Vorwürfe öffentlich?

Als Steinhart im Mai 2022 Präsident der Österreichischen Ärztekammer wurde, folgte ihm sein Fraktionskollege Erik Randall Huber als Kurienobmann in Wien nach. Als solcher ist Huber für die vier Tochterfirmen der Kurie verantwortlich – und beschloss, sie unter die Lupe zu nehmen.

Mitte November 2022 sollen ihm aufgrund hoher Verluste in einer Zwischenbilanz dann zahlreiche Ungereimtheiten bei der E4O aufgefallen sein. Ein mit ihm bekannter Rechtsanwalt sollte den Verdacht prüfen. Laut einem Bericht vom 27. März 2023 fand dieser dabei in der E4O tatsächlich zahlreiche Missstände.

Was ist in der E4O passiert?

Die Untersuchungen hätten "(mehr als) konkrete Hinweise auf ein fortgesetzt pflichtwidriges Verhalten der Geschäftsführer" und eines Beiratsmitglieds der E4O hervorgebracht, heißt es in dem Bericht des von Huber beauftragten Rechtsanwalts von 27. März.

Konkret hätten die Geschäftsführer demnach unter anderem

  • einem inzwischen notleidend gewordenen Unternehmen "grundlos", "ohne ausreichende Sicherheiten" und ohne Beschlüsse des Beirats einen Kredit in der Höhe von 1 Million Euro gewährt

  • eine Provisionsvereinbarung mit einem Unternehmen abgeschlossen, das einer der Geschäftsführer selbst geführt hat

  • 100.000 Euro an Prämien an sich und zwei Mitarbeiter ausgezahlt – allerdings laut Bericht unter Vortäuschung falscher Tatsachen gegenüber dem Beirat, der die Prämien zwar freigab, dies aber laut Bericht rechtlich gar nicht konnte

  • ein Scheindienstverhältnis über 35.000 Euro im Jahr abgeschlossen. Der betroffene Mitarbeiter wurde gekündigt, die E4O hat Selbstanzeige erstattet und fordert vom Mitarbeiter das Geld zurück. Laut den Geschäftsführern habe es sich um einen "politischen Wunsch" gehandelt, heißt es im Bericht: "Dr. Steinhart wollte, dass das so ist", sollen die beiden ausgesagt haben.

Die E4O klagt nun ihre beiden früheren Geschäftsführer auf mehr als 200.000 Euro Schadenersatz.

Wie hat die Ärztekammer reagiert?

Der Misstrauensantrag fand auch ein Monat später keine Mehrheit

Die Österreichische Ärztekammer stellt sich offiziell hinter ihren Präsidenten Steinhart. In Wien ist allerdings die ÖVP-nahe "Vereinigung" gespalten. Anfang März brachte sie einen Misstrauensantrag ein. Allerdings nicht gegen Steinhart, sondern gegen seinen Nachfolger und Fraktionskollegen Huber, der die Causa publik gemacht hatte. Ihm solle "aufgrund zahlreicher Vorkommnisse und Fehlentscheidungen" das Vertrauen als Kurienobmann entzogen werden.

Konkret wird Huber vorgeworfen, einen für Huber seit Jahren tätigen Anwalt mit der Prüfung der E4O beauftragt zu haben. Da Huber auch die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht hatte, sei "ja soundso jedwege Ermittlungstätigkeit bei der Staatsanwaltschaft" und ein "Parallelverfahren" nicht sinnvoll, heißt es in einem weiteren Antrag auf Einstellung der rechtsanwaltlichen Prüfung.

Auch dass Huber den Geschäftsführer der Holding, die die E4O überwachen hätte sollen, zunächst im Amt ließ und ein Beiratsmitglied angezeigt und entlassen wurde, wurde kritisiert. Drei Tage später entließ Huber den Holding-Geschäftsführer. Dass dieser offenbar dank des Sideletters mit Steinhart über einen lukrativen und eigentlich unkündbaren Vertrag verfügte, soll Steinhart bei der vorangegangenen Sitzung nicht erwähnt haben. Die Kurie könnte den Ex-Geschäftsführer nun aus dem geheimen Nebenvertrag auszahlen müssen.

Huber erreichte eine Verschiebung der Abstimmungen auf den 30. März. Bei diesem Termin wurde nur noch über den Misstrauensantrag abgestimmt, der die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlte.

Wie geht es mit der "Equip4Ordi"-Affäre weiter?

Die Zeichen stehen auf Konfrontation. Die drei Vizepräsidenten in Wien – das sind neben Huber auch Stefan Ferenci und Stefan Konrad – sowie Finanzreferent Frédéric Tömböl forderten ihren Präsidenten Steinhart am vergangenen Dienstag auf, eine Präsenzsitzung des Präsidiums einzuberufen. Erzwingen können sie eine solche nicht, liegt dies doch allein in der Macht des Präsidenten. Blockieren können die Vizepräsidenten allerdings sogenannte Umlaufbeschlüsse. Das tun sie auch, die Wiener Kammer steht somit bis zur Präsenzsitzung still. Laut Standard soll die Präsidiumssitzung am 20. April stattfinden.

Von außen eingreifen könnte die Wiener Magistratsabteilung (MA) 40. Als Aufsichtsbehörde prüft auch sie die Vorgänge in der Wiener Ärztekammer – und könnte theoretisch den Präsidenten absetzen. Laut "Dossier" prüft sie derzeit vor allem Steinharts Handlungsfähigkeit. Am vergangenen Mittwoch forderte sie Steinhart auf, sich binnen zehn Tagen schriftlich zu erklären. Er werde dem nachkommen, wird versichert.

Darüber hinaus wurde von 32 Mandatarinnen und Mandataren eine außerordentliche Vollversammlung der Wiener Ärztekammer einberufen, bei der Steinhart eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgeben soll. Die Versammlung wird laut Standard am 26. April stattfinden.

Bleibt Steinhart Ärztekammer-Präsident?

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) schaut dem Wiener Ärztekammer-Präsidenten Johannes Steinhart auf die Finger
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) schaut dem Wiener Ärztekammer-Präsidenten Johannes Steinhart auf die Finger © APA/ROBERT JAEGER

Das ist unklar. Steinhart verweist auf die laufenden Verfahren und betont, für "lückenlose Aufklärung" zu stehen. Ein Rücktritt Steinharts scheint wenig wahrscheinlich. Auch eine Abwahl in Wien dürfte aufgrund der breiten Allianz, die Steinhart hinter sich versammeln kann, nicht unmittelbar bevorstehen.