Hausdurchsuchungen, gescheiterte Putschversuche und der Verdacht schweren Betrugs: In der Wiener Ärztekammer geht es heiß her. Hintergrund ist die Affäre rund um die Equip4Ordi GmbH (E4O). In der Tochtergesellschaft der Wiener Kurie niedergelassener Ärzte soll es grobes Missmanagement gegeben haben. Die Wiener Affäre könnte Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart von der Spitze der Ärztekammer für ganz Österreich stürzen.
Immerhin war Steinhart als Obmann der Wiener Kurie auch für E4O verantwortlich. Das ausgelagerte Unternehmen sollte als Einkaufsplattform Ärztinnen und Ärzte mit Ordinationsbedarf versorgen, sorgte aber immer wieder für Aufregung, etwa mit dubiosen Maskendeals. Außerdem sollen Kredite in Millionenhöhe ohne die notwendigen Beschlüsse abgeschlossen und Prämien für die Geschäftsführung unter Vortäuschung falscher Tatsachen ausbezahlt worden sein. Neben der Staatsanwaltschaft Wien untersucht auch ein U-Ausschuss der Kurie die Tochterfirma, Steinhart will die Vorwürfe "lückenlos aufklären" lassen, aber nicht zurücktreten.
Angeschwärzter Präsident
Doch damit sind die Sorgen nicht beendet, im Gegenteil: Schon Mitte Februar waren die Handys und Laptops der Beschuldigten sichergestellt worden. Gegen die beiden Geschäftsführer der E4O und den Kammermitarbeiter wird wegen des Verdachts der Untreue bzw. der Begünstigung ermittelt. Nun hatte sich der Verdacht laut "Dossier" aber ausgeweitet. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt demnach mittlerweile wegen des Verdachts des "schweren Betrugs" – und Steinhart selbst wird direkt angeschwärzt.
Denn die drei Beschuldigten geben an, im Auftrag Steinharts gehandelt zu haben. Der Ärztekammer-Präsident weist das zurück. Dass außerdem Lizenzen für eine Arztpraxis-Software als Wahlkampfgeschenke für die ÖVP-nahe "Vereinigung Österreichischer Ärztinnen und Ärzte – Liste Steinhart" verteilt worden sein könnten, sei "unwahr" und eine "reine Erfindung", betonte der Ärztekammer-Präsident. Die Wiener Ärztekammer betont, vollends mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. "Meine Position und mein Bekenntnis zur Transparenz sind somit sehr eindeutig und auch allgemein bekannt", sagt auch Steinhart.
Hausdurchsuchung vor Vernichtung
Die Staatsanwaltschaft sieht das aber offenbar anders. Letzten Montag ließ sie weitere elektronische Geräte und Datenträger in der Wiener Ärztekammer sicherstellen. Laut "Dossier" heißt es in der Durchsuchungsanordnung: "Aus politischen Gründen verweigere die Ärztekammer derzeit den mit der Aufklärung beauftragten Personen den Zugang zu diesen Laufwerken/Geräten." Kammeramtsdirektor Thomas Holzgruber soll gesagt haben, "das geben wir sicher nicht her", wird ein Zeuge in der Anordnung zitiert.
Diese Darstellung wies Holzgruber entschieden zurück: "Ich bin persönlich noch immer fassungslos und persönlich ganz schwer erschüttert und auch sprachlos, was hier behauptet wird." Die Staatsanwaltschaft vermutet dennoch eine "Vertuschungsaktion", die "Aufklärer" sollten aus ihren Positionen entfernt werden, dadurch bestehe "die akute Gefahr, dass in Kürze weitere Beweismittel vernichtet oder unzugänglich gemacht werden".
Krisensitzung beantragt
Zumindest ein "Aufklärer" dürfte Kurienobmann Erik Randall Huber sein. Als Steinharts Nachfolger an der Spitze der Kurie hatte er die Missstände bei E4O öffentlich gemacht. Die Vertrauten von ÖÄK-Präsident Steinhart dankten es ihm am Donnerstag mit einem Misstrauensantrag – der allerdings keine Mehrheit fand. Bisher sicher im Sattel saß hingegen Steinhart: Das Präsidium der Österreichischen Ärztekammer stellt sich weiterhin hinter seinen Präsidenten.
Dennoch wackelt der Chefsessel. Denn Steinhart hat überhaupt nur als Präsident der Wiener Ärztekammer einen Platz im Präsidium der Bundesvertretung. Dass dieser alles andere als sicher ist, zeigt ein Rundschreiben seiner vier Stellvertreter in Wien: Neben Huber forderten am gestrigen Dienstag auch Stefan Ferenci, Stefan Konrad und Frédéric Tömböl eine Präsenzsitzung des Präsidiums, "um die dringend nötigen Diskussionen garantieren zu können". Immerhin habe eine solche seit mehr als zwei Monaten nicht mehr stattgefunden.
Gleichzeitig läuft bei der Wiener Magistratsabteilung 40 (MA 40) ein Prüfverfahren. Bis die Aufsichtsbehörde ein Prüfungsergebnis übermittelt, wollen die drei Vizepräsidenten aktuelle Umlaufbeschlüsse vorerst ablehnen. Auch wenn Steinhart also im Bund gehalten wird, ist Österreichs Ärztekammer-Präsident zurzeit in seiner eigenen Landesorganisation nicht in der Lage, Beschlüsse zu fassen.
Maximilian Miller