Dass es in Nationalratsdebatten schon einmal deftig zugehen kann, ist nicht selten. Dass die Vertreterin einer Partei gegen ihren eigenen Koalitionspartner wettert, hingegen schon: "Sie machen Politik für eine kleine privilegierte Gruppe", wirft die Grüne Nina Tomaselli am Mittwoch im Hohen Haus der ÖVP vor: "Ich verstehe nicht, dass wir monatelang verhandeln, bei Betroffenen Hoffnungen schüren, und Sie auf den letzten Metern einen Rückzieher machen", sagt sie: "Das ist Politik in schlechtem Stil."
Der Hintergrund: Der Nationalrat hat heute mit den Stimmen der ÖVP und der Grünen einen neuen Zuschuss zu den Wohnkosten in Höhe von 200 Millionen Euro beschlossen. So recht glücklich machen wird das aber niemanden. Nicht die Opposition, die nun 400.000 Mieterinnen und Mieter im Altbau mit Anfang April von der gesetzlichen Erhöhung der Richtwertmieten überrollt sieht: Der Gewerkschafter Rainer Wimmer (SPÖ) ärgert sich im Hohen Haus über eine "Subvention für Zinshausbesitzer". Der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz sieht den Versuch, die Bevölkerung in die Armut zu schicken.
Nicht glücklich über den Kompromiss
Glücklich macht der Kompromiss auch die Grünen nicht, deren Stammwähler in nicht unwesentlichem Ausmaß in ebensolchen Wohnungen leben. Und nicht die ÖVP, die im Gegenzug eigentlich die Reduktion der Grunderwerbssteuer herausverhandeln wollte, die vor allem Familien helfen sollte, die sich ein eigenes Haus bauen wollen – eine Zielgruppe der ÖVP.
All das passiert nun nicht – stattdessen hat die Koalition einen Minimalkompromiss vorgelegt: Die für heuer von den Bundesländern ausbezahlten Wohn- und Heizkostenzuschüsse werden aus dem Bundesbudget um 225 Millionen Euro aufgestockt. Diese Mittel sollen zu dem bereits vom Nationalrat beschlossenen Zweckzuschuss in der Höhe von 450 Millionen Euro hinzukommen. Zudem wird der sogenannte "Wohnschirm", der vor Delogierungen schützen soll, für das Jahr 2024 um 25 Millionen erweitert. Details zur Auszahlung werden in den kommenden Wochen und Monaten von den Ländern erarbeitet, Vorgaben vom Bund gibt es dazu kaum: "Wichtig ist nur, dass nach Einkommen gestaffelt wird und eben nicht mit der Gießkanne verteilt wird", heißt es aus dem Bundeskanzleramt.
Kritik an diesem Kompromiss kommt von fast allen Seiten – zuletzt etwa von Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP): "Eine echte Lösung ist das keine", so Wallner im ORF – "Ich glaube, es war zu viel Ideologie im Spiel."
Hitzige Debatte im Parlament
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner adressiert am Mittwoch im Parlament vor allem die Grünen für ihre "wirkungslose und sinnlose Regierungsbeteiligung". Bei der ÖVP wundere es sie nicht, dass sie nicht auf Experten wie Gabriel Felbermayr oder Christoph Badelt hören. "Trotz der Milliarde, die sie ausgeben, steigen die Preise", kritisiert sie.
Aus der Koalition im Bund versichern gegenüber der Kleinen Zeitung mehrere Spitzenfunktionäre, dass die Arbeit am gemeinsamen türkis-grünen Regierungsprogramm trotz der Verstimmungen um die Wohnkosten fortschreite. Ein zeitliches Limit – mit 1. April müssen die Mieten erhöht werden – sei Gift für die Möglichkeit, eine für beide Seiten tragfähige Lösung zu entwerfen, heißt es aus Regierungskreisen.