Freund, Feind, Parteifreund: Zwischen dem Rendi-Wagner- und dem Doskozil-Lager herrscht seit Tagen Funkstille. In der achtstündigen Krisensitzung der SPÖ sollen gestern die Hackeln besonders tief geflogen sein. Als sich Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zu Wort melden wollte, allerdings vergaß, das Mikro einzuschalten und nicht zu hören war, soll Bürgermeister Michael Ludwig dem Vernehmen nach geraunt haben: "Eine laute Stimme ist in der Politik schon wichtig." Worauf Doskozil gekontert haben soll: "Meine Stimme reicht, um Wahlen zu gewinnen, was man nicht von jedem hier im Raum behaupten kann."
Die SPÖ hat dann mit Müh und Not noch einen Modus für ihre Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz zusammengebracht. Demnach reicht es nun doch nicht, als Parteimitglied einfach seine Kandidatur zu erklären. Die 73 Interessenten müssen auch Unterstützungserklärungen von 30 Mitgliedern vorweisen. Eine Stichwahl ist nicht vorgesehen. Die Favoriten Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil erklärten aber, das Ergebnis der Befragung zu respektieren.
Zuvor hatte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch vor dem Präsidium erklärt, dass die Mitgliederbefragung nur der Erstellung eines Stimmungsbildes diene. Nach der Sitzung legten sich die Granden dann fest, dass Unterstützungserklärungen nicht nötig seien. Nur Fake-Kandidaten sollten ausselektiert werden.
Bundesgeschäftsführer Deutsch in der ZiB 2:
30 Unterstützungserklärungen nötig
Damit hatte man aber nicht die Stimmung der Länder-Organisationen außerhalb Wiens getroffen. Die drängten im entscheidungsbefugten Vorstand nämlich massiv darauf, dass doch weitere Hürden eingezogen werden. Quälende Debatten über mehr als vier Stunden waren die Folge. Die Zahl der Mitglieder, die einen Bewerber unterstützen sollen, wurde immer weiter nach unten gedrückt, bis man eben bei 30 angelangt war, was gerade noch konsensfähig war.
Der Beschluss erfolgte mit nur drei Gegenstimmen aus den Jugendorganisationen, die ein Modell bevorzugten, in dem die Kandidaten gereiht werden. Oberösterreichs SPÖ-Chef Michael Lindner meinte nach der Sitzung, man hätte sich noch eindeutigere Regeln vorstellen können. Letztlich sei das Ergebnis aber "in Ordnung". Deutsch fand, es könne nicht so schwer sein, die Unterstützungserklärungen zu finden.
Beeilen sollten sich die 73 Bewerber mit dem Sammeln freilich. Denn abgeben soll man die Unterstützungserklärungen noch diese Woche, ebenso wie einen Strafregisterauszug und das Bekenntnis, in Österreich passiv wahlberechtigt zu sein und keiner anderen Partei anzugehören. Dazu soll man noch ein Foto abliefern, einen Lebenslauf und was man sich so für die Partei vorstellt. Verlangt wird auch ein Nachweis, den Mitgliedsbeitrag bisher lückenlos einbezahlt zu haben, bei Neueinsteigern wären das freilich nur 6,50 Euro. Die Kandidaten sollen dann mit dem Start der Befragung auf einer Website den Mitgliedern vorgestellt werden.
Reihung Rendi-Doskozil-Sonstige
Wie viele von den 73 Bewerbern übrig bleiben, ist schwer absehbar. Allgemein wird aber von einer ziemlich geringen Zahl ausgegangen. Die Befragung läuft so ab, dass man zunächst beantworten muss, ob Pamela Rendi-Wagner Parteivorsitzende bleiben und Spitzenkandidatin bei der nächsten Nationalratswahl werden soll. Danach folgen die Alternativen, angeführt von Doskozil. Dahinter wird nach Eintreffen der Bewerbung gereiht, was für den Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler von Nachteil sein könnte, sollten es doch mehr Anwärter als erwartet auf den Befragungszettel schaffen.
Doch es waren nicht nur diese Fragen, die den Vorstand so lange quälten. Gestritten wurde auch über die genaue Art der Durchführung. Festgelegt wurde letztlich, dass sowohl postalisch als auch online abgestimmt werden soll. Doppelabstimmungen sollen verunmöglicht werden, die postalische Antwort hat Priorität. Für ersteres soll die Post zu Beginn der Befragung ab 24. April die Stimmzettel ausliefern. Am selben Tag wird per E-Mail die Möglichkeit der elektronischen Abstimmung eröffnet. Deutsch versicherte, dass die Anonymität gesichert sei. Begleitet werde der Prozess vom Präsidenten der Notariatskammer, Michael Umfahrer.
22 Stimmen gegen verbindlichen Mitgliederentscheid
Geleitet wird die Befragung von der beim vergangenen Parteitag eingesetzten Wahlkommission unter dem Wiener Harry Kopietz. Wie groß das Misstrauen ist, zeigte ein Antrag, dass die Länder Einblick in die Wählerevidenz nehmen können sollen, damit man selbst allfällige Manipulationen überprüfen kann. Deutsch betonte, dass diese Möglichkeit laut Statut der Wahlkommission obliege.
Was den Ausgang der Befragung angeht, versicherte Doskozil nach der aus seiner Sicht "sehr hitzigen Sitzung", dass er das Ergebnis jedenfalls anerkennen werde und nur beim Parteitag kandidieren werde, wenn er auf Platz eins landet. Dem schloss sich wenig später Rendi-Wagner, die eine "gute ehrliche Sitzung" erlebte, an. Ein schriftliches Übereinkommen der Kandidaten, dass man jedenfalls das Mitgliedervotum respektieren werde, kam nicht zustande. Auch ein Antrag, dass der oder die Stimmenstärkste der Befragung als erster für den Wahlvorschlag für den Parteitag nominiert wird, scheiterte – wenn auch mit 22:18 knapp. Dem Vernehmen nach dürften vor allem Wiener und Gewerkschafter wenig Freude mit dem Automatismus gehabt haben.
147.000 wahlberechtigt
Eine Nachfrist bis 29. März gibt es für jene Mitglieder, die zwar rechtzeitig einen Antrag stellten, aber nicht vor Freitagmitternacht eingegeben wurden. Insgesamt hatten sich vergangene Woche etwa 9000 Mitglieder der Partei neu angeschlossen, womit gesamt etwa 147.000 Personen stimmberechtigt werden dürften. Deutsch drückte seine Hoffnung aus, dass die "Neuen" der Partei auch über die Befragung hinweg treu bleiben mögen. Dass man heute in den Gremien gar so lang gebraucht hat – über Präsidium und Vorstand acht Stunden, begründete er damit, dass man mit dieser Befragung Neuland betrete.
Deutsch selbst muss sich seit Montagabend mit einer Rücktrittsaufforderung aus der Steiermark auseinandersetzen. Drei Bürgermeister, darunter jener von Knittelfeld, hielten diesen Schritt für notwendig, um einen glaubhaften Neustart und andererseits eine ordentliche Abwicklung der Mitgliederbefragung zu gewährleisten. Deutsch gab sich davon in der ZiB 2 unbeeindruckt und blieb auch dabei, dass es sich um eine, wie der Name Mitgliederbefragung schon sage, "Willenskundgebung" handle und der oder die Parteivorsitzende dann auf einem Parteitag gewählt werde. Er sei sich sicher, dass der Vorstand das Votum "sehr, sehr ernst" nehmen werde und einen Wahlvorschlag für den Parteitag erstellen werde – der, wie Deutsch aber einräumte, "nicht bindend an die Mitgliederbefragung ist".