"Vor 20 Jahren kam ich als Krankenpflegerin aus der Slowakei ins Land", erinnert sich Andrea Vidovenczova. "Damals waren die Hürden sehr hoch, ich musste mir alles erkämpfen, es war entmutigend. Und 20 Jahre und einen Pflegekräfte-Notstand später hat sich daran kaum etwas geändert." Vidovenczova leitet das "Willkommenszentrum" der Caritas, das Pflegekräfte aus dem Ausland, die in Österreich arbeiten wollen, beim Weg in den Job begleitet. Und diese Begleitung ist aufwendig.
"Wir listen Dokumente auf, helfen bei Deutschkurs und Wohnungssuche und der Vermittlung in die Arbeit." Ein Aufwand, der sich lohnt. Laut Vidovenczova überlegen es sich nur elf Prozent ihrer Schützlinge anders. Bei Nicht-Betreuten falle die Statistik umgekehrt aus.
Dass der Staat sich bei der Pflege schwertut, hat auch die Politik erkannt. Erst im letzten Sommer wurden Erleichterungen für ausländische Pflegekräfte beschlossen – wie schon im Jahr zuvor. Das wurde von Fachverbänden begrüßt, zu einem Run auf die Pflege hat das jedoch nicht geführt. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat angekündigt, bei einem Nostrifikationsgipfel mit den Ländern dem Pflegekräftemangel zu begegnen. Auf Nachfrage weisen Kanzleramt, Sozial- und Arbeitsministerium die Zuständigkeit jedoch von sich, Details zum Gipfel gibt es bisher nicht.
"Was tun wir diesen Menschen an?"
Wer als Pflegekraft ins Land kommt, dem steht trotz Erleichterungen einiges bevor. Neben Deutschkursen, Ausbildungen und in komplexer Sprache verfassten Prüfungen müssen Betroffene neben dem Job Hunderte Stunden Praktika absolvieren – und mit Bürokratie kämpfen. Vidovenczova erinnert sich an eine Frau aus den Philippinen, die für einen Strafregisterauszug in ihre Heimat reisen musste. "Wenn die Betroffenen endlich fertig sind, ein Jahr ihre Familie nicht gesehen haben und arbeiten, erhalten sie oft auch noch weniger Gehalt als inländische Kollegen. Was tun wir diesen Menschen an?"
Politik und Wirtschaft setzen im Kampf um Kräfte auf gezieltes Anwerben in Drittstaaten wie Tunesien und den Philippinen. Laut Vidovenczova bringe das wenig, wenn der Staat die Betreuung während des Prozesses nicht übernimmt. "Schließlich sind wir es, die diese Leute so dringend brauchen." Die Konsequenz seien private Agenturen, die in der Vermittlung ausländischer Kräfte ein Geschäftsmodell entdeckt haben, auf das Einrichtungen bereits zugreifen. "Die betreuen teils nur drei Monate – und das ist viel zu wenig, damit sie wirklich bleiben", sagt Vidovenczova.
Für Betroffene wünscht sie sich neben besserer Betreuung eine gesellschaftliche Aufwertung des Berufes. Und Mitbestimmung. "Wir wollen gefragt werden, wie man diese Herausforderung bewältigen kann. Denn wir kennen die Realität."