Wer tritt im Kampf um die SPÖ-Spitze an?
Das ist noch nicht klar. Bis zum heutigen Freitag, 24. März, um 23.59 Uhr, haben Kandidatinnen und Kandidaten Zeit, ihren Hut in den Ring zu werfen. Voraussetzung ist, dass man ordentliches Mitglied der SPÖ ist. Um auf die Liste aufgenommen zu werden, reicht ein formloses Schreiben – postalisch oder per Mail – an die Bundesgeschäftsstelle.
Dass diese nicht jeden aufnimmt, hat sie bereits bewiesen: Der ehemalige BZÖ-Chef Gerald Grosz müsste sich von seiner Vergangenheit distanzieren, um der SPÖ beizutreten. Als "Rechtspopulist" repräsentiere er "das Gegenteil der Grundsätze der Sozialdemokratie", argumentiert die Partei. Er will nun stattdessen seine Katze Chou-Chou anmelden.
Bisher namentlich bekannt sind sechs Kandidaten:
- SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
- Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil
- Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler
- Der niederösterreichische SPÖ-Gemeinderat Gerhard Weißensteiner
- Das burgenländische SPÖ-Mitglied Berthold Felber
- Der Niederösterreicher Gerald Kitzmüller, der von Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) aufgrund eines Tweets geklagt wurde, ist in die SPÖ eingetreten, um zu kandidieren
Die Zahl dürfte aber noch deutlich steigen: Aus dem inneren SPÖ-Kreis heißt es, es soll bereits zwölf Bewerber geben, berichtete das Ö1 Mittagsjournal. Aus der SPÖ-Bundesgeschäftsstelle heißt es auf Nachfrage: "Wir werden die Anzahl der Bewerber bis zum Fristende nicht mehr kommentieren."
Donnerstagabend warf sich auch der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, der eigentlich Niederösterreichs SPÖ reformieren sollte, seinen Hut in den Ring.
Porträt
Das Wiener Parteimitglied Nikolaus Kowall, der mit seiner Kandidatur das Rennen zwischen Rendi-Wagner und Doskozil für alle geöffnet hat, findet inzwischen, dass der Kampf um die Parteispitze "zur Farce verkommt". Kowall hat seine Kandidatur nach dem Antreten von Andreas Babler zurückgezogen.
Interview
Wie läuft die Mitgliederbefragung der SPÖ ab?
Ab 24. April werden die Mitglieder der SPÖ per Brief oder elektronisch abstimmen können, wer in Zukunft die Partei führen soll. Beendet wird die Befragung am 10. Mai. Abgefragt werden soll zuerst, ob man "die gewählte Parteivorsitzende" Pamela Rendi-Wagner Parteichefin bleiben "und unsere nächste Spitzenkandidatin" sein soll. Erst danach sollen Hans Peter Doskozil und die anderen Kandidaten nach Reihe ihrer Parteifunktion abgefragt werden.
Wer darf bei der SPÖ-Mitgliederbefragung wählen?
Abstimmen darf jeder, der bis Freitag, 24. März, ordentliches Mitglied der SPÖ wird. Dafür muss man zumindest 16 Jahre alt sein, darf keiner anderen politischen Partei angehören, sich zu den Grundsätzen der Partei bekennen – und den monatlichen Mitgliedsbeitrag von 6,50 Euro bezahlen. Beitreten kann man etwa über die Website der Bundespartei. Die letzte Entscheidung über die Mitgliedschaft wird aber stets in der jeweiligen Wohnsitzorganisation getroffen. Die APA berichtete am Donnerstag, dass laut SPÖ mehrere hundert Mitgliedsanträge bei der Partei eingelangt seien.
Ab welchem Wert hat ein Kandidat gewonnen?
Das ist völlig unklar. Da es zunächst so aussah, als würden nur Rendi-Wagner und Doskozil ins Rennen gehen, hätte es auf jeden Fall eine absolute Mehrheit für einen Kandidaten gegeben. Mit nunmehr mindestens fünf Wahlmöglichkeiten könnte es aber gut sein, dass niemand mehr als die Hälfte der SPÖ-Mitglieder hinter sich versammeln kann. Wahrscheinlich wird dennoch eine Person am meisten Stimmen erreichen. Ob das für alle Kandidaten ausreichend ist und die Basis ausreichend beruhigt, wird sich erst weisen.
Ist das Ergebnis der Befragung bindend?
Nein. Die Parteistatuten der SPÖ erlauben es nicht, den Parteivorstand per Mitgliederbefragung zu bestimmen. Daher sollen Delegierte bei einem Sonderparteitag am 3. Juni das Ergebnis bestätigen. Allerdings kann eine Kampfabstimmung nicht verhindert werden. Denn wer beim Parteitag antreten will, kann das unabhängig vom Ergebnis der Mitgliederbefragung tun. Das umfangreiche Prozedere droht so zu einem reinen Stimmungstest zu werden.
Mit Parteichefin Rendi-Wagner und Burgenlands Landeschef Doskozil haben die beiden aussichtsreichsten Kandidaten um die Spitze der SPÖ allerdings angekündigt, das Votum der Basis zu akzeptieren. Rendi-Wagner will sogar die Politik verlassen, wenn sie von den Parteimitgliedern nicht bestätigt wird.
Welche Effekte hat die Mitgliederbefragung?
Bisher hatte die SPÖ rund 140.000 Mitglieder. Diese Zahl dürfte durch die angekündigte Mitgliederbefragung aber bereits merklich gestiegen sein. Es seien "einige Hundert" Anträge eingelangt, heißt es aus der Parteizentrale. Auch prominentere Namen wie der Schriftsteller Robert Menasse oder der PR-Berater und Moderator Rudolf Fußi haben bereits bekannt gegeben, der Partei wieder beigetreten zu sein.
Andererseits gibt es in der Partei durchaus auch Bedenken: Der deutsche Satiriker und Moderator Jan Böhmermann hatte sich etwa bei der deutschen Schwesterpartei SPD um den Vorsitz beworben. Doskozils Sprecherin Jasmin Puchwein sorgt sich eher um eine der SPÖ wenig nahestehende Wählerschaft: Auf Twitter bat sie Mitglieder von ÖVP und FPÖ, doch wenigstens den SPÖ-Mitgliedsbeitrag zu zahlen, wenn sie der Partei beitreten. Übel nehmen würde sie Massenbeitritte der Konkurrenz offenbar nicht: "Wenn man als politischer Gegner die Möglichkeit geboten bekommt, eine Wahl zu beeinflussen … Why not?"
Die Sorge bewies sich spätestens am Donnerstagabend als berechtigt: Der offizielle Twitteraccount der FPÖ Steiermark postete auf Twitter das Bild eines eingebrachten SPÖ-Mitgliedsantrags - wobei die Partei selbst natürlich nicht Mitglied werden könnte.
Was ist über die SPÖ-Mitglieder bekannt?
Die Partei weiß nicht viel über ihre eigenen Mitglieder. Zuletzt gab es rund 140.000 Mitglieder, der Osten des Landes ist deutlich stärker in der SPÖ vertreten als der Westen. Das Durchschnittsalter dürfte zuletzt bei 63 Jahren gelegen haben.
Was zeigte die letzte Mitgliederbefragung?
Bei der letzten Befragung 2020 war die Rücklaufquote mit 43 Prozent unter den damals 157.000 SPÖ-Mitgliedern überraschend hoch. Damals sprachen sich 71,4 Prozent für Rendi-Wagner aus. Die Parteivorsitzende hatte aber auch keinen Gegenkandidaten. Inhaltlich zeigte sich, dass den SPÖ-Mitgliedern Gesundheitsversorgung, Vermögenssteuern und sichere Pensionen besonders wichtig sind.
Die Vier-Tage-Woche, mehr Polizisten und die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten waren für die Befragten 2020 hingegen nicht ganz so drängend. Das könnte sich nicht nur aufgrund der aktuellen Lage verändert haben: Seit 2020 hat die Partei jedes neunte Mitglied verloren. Die meisten davon dürften nicht ausgetreten, sondern verstorben sein. (Wieder-)Eintritte in die Partei werden die Gesamtlage ohnehin verändern.
Welche Trends zeichnen sich ab?
Langsam bilden sich in der SPÖ Lager. Während vor allem die Wiener Partei und die Frauenorganisation hinter Parteichefin Rendi-Wagner stehen dürfte, dürfte Doskozil neben dem Burgenland vor allem auch in der Steiermark und Teilen von Niederösterreich Unterstützerinnen und Unterstützer haben. Der Traiskirchner Bürgermeister Babler dürfte hingegen bei der linken Parteibasis besonders beliebt sein und findet auf Twitter auch laute Unterstützung von Personen, die nun angeben, eigens für ihn in die Partei einzutreten.
Prognosen, wie die SPÖ-interne Mitgliederbefragung ausgehen könnte, sind nicht nur aufgrund der hohen Kandidatenzahl de facto unmöglich. Die SPÖ-Mitglieder seien – wie die Mitglieder aller Parteien – "ein ganz eigener Kosmos", sagt Meinungsforscher Peter Hajek. So war das durchschnittliche SPÖ-Mitglied zuletzt etwa 63 Jahre alt. Wobei dieser Wert durch die vielen Beitritte der letzten Tage wohl gesunken sein dürfte.
Doch auch abseits der Partei selbst dürften Positionen bezogen werden, auch bei den Boulevardmedien gibt es Trends: So schreibt die Kronen Zeitung von Altkanzler Christian Kern als "letzte Hoffnung", OE24 zeigte am Freitag eine Umfrage, die die Mehrheit der SPÖ-Wähler hinter Rendi-Wagner sieht und die Tageszeitung Heute, die vor allem in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland erscheint, sieht die SPÖ unter Doskozil am Stärksten abschneiden.
Welche Chancen hätten Rendi-Wagner, Doskozil und Babler bei einer Nationalratswahl?
"Man sieht immer dasselbe Muster", sagt der Meinungsforschung Peter Hajek, der die Umfrage für Heute durchgeführt hat: Rendi-Wagner könnte mehr Personen halten, die schon 2019 ihr Kreuz bei der SPÖ gemacht hatten. Außerdem würde die Parteichefin tendenziell mehr Wählerinnen und Wähler von Neos und Grünen überzeugen, als dies Doskozil könnte, erklärt der Meinungsforscher.
Doch um in einem strukturkonservativen Land wie Österreich als SPÖ eine linke Mehrheit zu finden, müsse man auch mitte-rechts-Stimmen sammeln, sagt Hajek. Normalerweise geschehe das nicht: „Wir wissen seit einiger Zeit, dass es zwischen links und rechts der Mitte kaum Austausch gibt“. Doskozil könnte das den Umfragen zufolge gelingen: Während der Burgenländer nur knapp 60 Prozent SPÖ-Wähler halten könnte, würde sich seine Wählerschaft zu einem starken einem Drittel aus ehemaligen ÖVP- und FPÖ-Wählern zusammensetzen.
Ob dies auch mit einem Kandidaten links der SPÖ-Mitte möglich wäre, wurde noch nicht abgefragt. Der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler müsste aber vor einer möglichen Spitzenkandidatur bei einer Nationalratswahl ohnehin seine Bekanntheit stark steigern, sagt Hajek: "Und dann stellt sich die Frage, ob er das, was er in Traiskirchen vorexerziert hat, auch im Bund umsetzen kann". Gelingt dies dem Niederösterreicher, könnte auch Babler für die SPÖ neue Wählerschichten erschließen. Denn Babler erreicht in Traiskirchen deutlich breitere Gruppen über die SPÖ-Klientel hinaus. Das wäre aber ein weiter Weg.