Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bleibt Landeshauptfrau von Niederösterreich. Bei der ersten Sitzung des neu gewählten niederösterreichischen Landtags Donnerstagvormittag hat sie 24 gültige Stimmen erhalten – das ist die nötige Mehrheit, weil sich 15 der 56 Mandatare enthalten haben.
Die Wahl ist geheim. 14 Mandatare hat ihr Koalitionspartner, die FPÖ, die angekündigt hatte, sich zu enthalten. 23 Stimmen hat die ÖVP im Landtag selbst, also muss auch ein Mitglied der anderen Fraktionen, die alle angekündigt hatten, Mikl-Leitner nicht zu wählen, für sie gestimmt haben. FPÖ-Chef Udo Landbauer wurde mit 25 gültigen Stimmen zu Mikl-Leitners Stellvertreter gewählt.
Mikl-Leitner: "Gegner wieder zusammenführen"
In ihrer Regierungserklärung nahm Mikl-Leitner Bezug auf die – beiderseits ungeliebte – Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen, die im Wahlkampf gegen sie persönlich kampagnisiert hatten. "Am Anfang war es vielleicht nur ein Kopfschütteln über die Ansichten des anderen. Doch bald wurde daraus ein offener Streit – und manchmal sogar blanker Hass", so die 59-Jährige. Es wäre einfacher, dem aus dem Weg zu gehen, stattdessen wolle man aber nun versuchen, "Gegner wieder zusammenzuführen". "Auch wenn das manchen zuwider zu sein scheint, es ist die Anforderung unserer Zeit, aufeinander zuzugehen und Brücken zu bauen."
"Was in unserem Land passiert, hat Bedeutung für die gesamte Republik", so die Landeshauptfrau – das habe sich darin gezeigt, wie die Wahl und die Verhandlungen verfolgt und kommentiert wurden. Mikl-Leitner verwahrt sich damit auch gegen Vorverurteilungen: "Nehmen wir die Wirtshausprämie, die mit grüner Regierungsbeteiligung in Tirol vor vier Jahren beschlossen wurde und seither umgesetzt wird. Dort wird sie als innovativ bezeichnet. Und bei uns in Niederösterreich jetzt als faschistisch."
Auch andere umstrittene Punkte des schwarz-blauen Abkommens – etwa die Rückzahlung mancher Coronastrafen – verteidigt Mikl-Leitner. Endgültig zu weit sei es in den vergangenen Tagen gegangen, als "eine parteipolitische Plattform in Wien durch Halbwahrheiten versucht, Verunsicherungen in der jüdischen Gemeinschaft in Niederösterreich zu schüren". Die ÖVP-Politikerin ersucht darum, die Landesregierung an ihren Taten zu messen: "In fünf Jahren werden allein die niederösterreichischen Landsleute darüber richten, ob und wie wir bestanden haben – und sonst niemand."
Landbauer: "Vorverurteilung ist leichter als Beurteilung echter Arbeit"
Auch Landbauer ruft dazu auf, die neue Regierung an ihren Taten zu messen: "Die Vorverurteilung ist immer leichter als die Beurteilung der echten Arbeit." Die Corona-Politik der vergangenen Jahre – besonders durch die ÖVP – habe "unglaubliches Leid" verursacht. Die Koalition sei "der verantwortliche Weg, nicht der einfache".
Waldhäusl mit 38 Stimmen Zweiter Präsident
Weil das Land noch immer den Proporz vorsieht, ist viel davon Automatismus: Vier der neun Mitglieder der Landesregierung stehen der ÖVP zu, drei der FPÖ, zwei der SPÖ.
Zu Beginn der Sitzung stand die Wahl der Landtagspräsidenten an. Während Karl Wilfing, ÖVP, 51 der 56 Stimmen erhalten hat, stand als Zweiter Präsident Gottfried Waldhäusl zur Wahl, der zuletzt seiner Aussagen Wiener Schülerinnen und Schülern gegenüber in der Kritik gestanden ist. SPÖ, Grüne und Neos hatten angekündigt, ihn angesichts "dieses Menschenbildes" nicht wählen zu wollen. Waldhäusl erhielt 38 Stimmen – eine mehr, als ÖVP und FPÖ zusammen haben. SPÖ-Abgeordnete Eva Prischl wurde einstimmig zur Dritten Präsidentin gewählt.
Landbauer mit 25 Stimmen gewählt
Weil die Wahl geheim ist, ist unbekannt, wer von der Parteilinie abgewichen ist und Mikl-Leitner eine Stimme mehr verschafft hat, als die ÖVP selbst hat. Auch, wer sich abseits der FPÖ noch enthalten hat, ist nicht nachvollziehbar.
Bei der Wahl Udo Landbauers (FPÖ) zum Stellvertreter Mikl-Leitners gab es ebenfalls zahlreiche Enthaltungen – er erhielt 25 Stimmen, zwölf Abgeordnete hatten sich enthalten. Der Verdacht liegt nahe, dass diese zwölf Enthaltungen aus der ÖVP stammen – zusammen ergeben diese 25 plus zwölf genau die Summe der Mandate von ÖVP und FPÖ. Am Ergebnis ändert das nichts, er wird Mikl-Leitners Stellvertreter. Auch Stephan Pernkopf (ÖVP) ist wieder Landeshauptfrau-Stellvertreter – mit 37 Stimmen.
Die übrigen Landesräte brauchen "nur" die Stimmen ihrer eigenen Partei. Der neue niederösterreichische SPÖ-Chef Sven Hergovich hat 15 Stimmen erhalten, Ulrike Königsberger-Ludwig 21, die ÖVP-Landesräte Ludwig Schleritzko und Christiane Teschl-Hofmeister erhielten 38, die FPÖ-Regierungsmitglieder Christoph Luisser und Susanne Rosenkranz 37 Stimmen.
Gleich nach der Landtagssitzung konstituiert sich auch die neue Landesregierung unter dem schwarz-blauen Pakt – Verteilung der mächtigsten Ressorts inklusive.
Georg Renner