Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat im Streit um das geplante Aus für Verbrenner-Neuwagen ab 2035 "viel Zustimmung und Wohlmeinung" für die deutsche Position geortet. Selbst Frankreich unterstütze die Position jetzt, sagte Nehammer am Donnerstag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. "Das ist ein wichtiges Signal, dass wir weiter technologie- und innovationsfreundlich bleiben, wenn wir den Klimawandel ernst nehmen und dagegen angehen wollen", ergänzte Nehammer, der auch im Ö1-Morgenjournal am Freitag Rede und Antwort stand. Er plane Reisen nach Marokko und Nordafrika, die grünen Wasserstoff und E-Fuels herstellen könnten. In Sachen Elektromobilität nicht mehr nur von China abhängig zu sein, wäre ein Mehrwert für die ganze EU.
Die zuständige Energie- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte allerdings dem Deal sowie ihre EU-Amtskollegen bei den Verhandlungen zum Brenner-Aus zugestimmt. Man wolle sich nicht mit "Vergangenheitsbewältigung" aufhalten, verteidigte Nehammer seine Position.
"E-Fuels sind die Zukunft"
Wenn Deutschland dem Kompromissvorschlag der EU-Kommission zustimmt, will Nehammer dahinter stehen. "E-Fuels sind die Zukunft, wir können den Verbrennungsmotor und das Know-How, das wir in Europa haben", zum Vorteil nutzen, sagte der Kanzler im Hinblick auf die hohe Abhängigkeit im asiatischen Raum von Auto-Batterien.
Dass Frankreich seine Position, wie Nehammer angab, geändert haben soll, ist eine Überraschung. Auf die Frage, ob es einen Abtausch zwischen Deutschland und Frankreich gebe, wonach Atomkraft im Gegenzug als erneuerbare Energie eingestuft und somit förderbar wird, antwortete Nehammer: Man habe sich darauf geeinigt, dass Thema soll auf Ministerebene diskutiert werden.
"Österreich hat seine Position klargemacht, für uns ist nukleare Energie keine Zukunftsenergie, weil wir die Risiken viel höher einschätzen als den Nutzen", berichtete Nehammer. Natürlich habe Frankreich für Atomenergie interveniert. "Aber das Positive war, dass Frankreich auch anerkannt hat, das E-Fuels und Verbrennungsmotor tatsächlich eine Zukunftstechnologie sein kann", betonte der Kanzler weiter.
Beim Mercosur-Pakt bliebe man absolut beim Nein.
Verbrennungsmotor kein Thema
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, der Verbrennungsmotor sei beim EU-Gipfel selbst kein Thema gewesen. Dennoch gebe es Verhandlungen, die gut vorankommen würden. Es gebe den Willen, das Thema innerhalb des Deals zwischen EU-Parlament und Rat zu lösen. Zeit sei von entscheidender Bedeutung. Von der Leyen zeigte sich "zuversichtlich, dass wir bald eine gute Lösung finden werden".
Zur Atomenergie sagte von der Leyen, jedes EU-Land wähle seinen Energiemix selbst. "Atomkraft kann eine Rolle bei unseren Bemühungen um Dekarbonisierung spielen", betonte sie. Die vollen Vorteile wie Erneuerbare würden der Atomenergie aber nicht eingeräumt. Frankreich drängt auf EU-Förderungen für Atomkraft.
Haftbefehl gegen Putin
Der EU-Gipfel nahm unterdessen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Russlands Präsident Wladimir Putin "zur Kenntnis". "Das ist zunächst einmal eine theoretische Frage", sagte Nehammer. "Entscheidend ist, dass die Strafverfolgungsbehörden wissen, was zu tun ist."
Der Beschluss der EU-Außenminister, eine Million neue Artilleriegeschosse in den nächsten zwölf Monaten an die Ukraine zu liefern, wurde ebenfalls bestätigt. Unter Verweis auf den Beschluss der EU-Außenminister vom Montag heißt es in der Gipfelerklärung weiter, dass dies auch die mögliche Lieferung von Raketen an die Ukraine beinhalte, "falls angefragt", sowie die gemeinsame Beschaffung und Finanzierung über die EU-Friedensfazilität.
Selenskyj warnt vor Nachlassen der Unterstützung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte den EU-Gipfel vor nachlassender Unterstützung für sein Land. "Wenn Europa zögert, hat das Böse Zeit, sich umzustellen und für einen jahrelangen Krieg vorzubereiten", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache aus einem Zug. Er besuchte am Donnerstag die teilweise von Russland besetzten Gebiete im Süden der Ukraine.
Auch die Migration war Thema beim Gipfel. "Den Worten müssen jetzt Taten folgen", forderte Nehammer. Die jüngst angekündigten EU-Pilotprojekte mit Bulgarien und Rumänien seien wichtig. Österreich habe den Bundespolizeidirektor in die USA geschickt, um sich die Grenzanlagen zu Mexiko und technische Innovationen anzuschauen. Es sei wichtig, dass auch die EU-Kommission "deutlich einen Zahn zulegt".
Lob für Nehammer
Lobende Worte für Nehammer fand der bulgarische Staatschef Rumen Radew. Er möchte Nehammer für die "extrem engagierte Unterstützung" Bulgariens bei der Errichtung eines "harten Zauns" danken, so Radew vor dem EU-Gipfel. Bis jetzt gebe es noch keine "feste Entscheidung", aber einen "großen Fortschritt", ergänzte er. Bisher habe Bulgarien 600 Millionen Euro an EU-Mitteln für technische Ausrüstung und Überwachungsanlagen erhalten - aber "nicht für Zäune".
Der Gipfel begann mit einer Arbeitssitzung mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zur Ukraine. Guterres appellierte auch an die EU-Länder, beim Kampf gegen den Klimawandel eine Führungsrolle einzunehmen. "Wir zählen sehr darauf, dass die Europäische Union die notwendigen Veränderungen anführt, um die 2030-Agenda wieder auf den Weg zu bringen", sagte Guterres in Brüssel vor Beginn des EU-Gipfels im Hinblick auf die Klimaziele für 2030.