"Wenn du nicht gewinnen kannst, dann ändere das Spiel." Diesen Auftrag, den sich Nikolaus Kowall zum Motto gemacht hat, will er nun erfüllen: Im Rahmen der SPÖ-Mitgliederbefragung bewirbt er sich um den Parteivorsitz. Wie genau das vonstattengehen soll, muss in der morgigen Präsidiumssitzung geklärt werden, an der Kowall allerdings nicht teilnimmt: "Mit meiner Kandidatur zwinge ich sie, die Köpfe rauchen zu lassen", sagt er zur Kleinen Zeitung. Geht es nach ihm, soll so ein Verfahren entwickelt werden, das in der SPÖ in Zukunft zur Regel wird.
Mit Druck von unten das Spiel zu verändern, ist dem 40-jährigen Wiener schon einmal gelungen: Am Parteitag der Wiener SPÖ im Jahr 2011 trat der damals 28-jährige Gründer einer SPÖ-Ortsgruppe im Bezirk Alsergrund in Lederjacke auf die Bühne und hielt eine Brandrede für das Verbot des "kleinen Glücksspiels", also Spielautomaten. Er griff damit ein politisch heißes Eisen an: Die Automaten zerstörten unzählige Existenzen, spülten aber 55 Millionen Euro in die Wiener Steuerkasse. Der Bezirksfunktionär der "Sektion 8" mahnte die soziale Verantwortung der Sozialdemokratie ein: "In kaum einer anderen Frage ist aus sozialdemokratischer Perspektive so glasklar, was richtig und falsch ist, wie beim kleinen Glücksspiel", sagte er am Ende. Als der Antrag zur Abstimmung kam, hoben so viele Delegierte die Hand, dass nicht einmal nachgezählt werden musste.
Auf eine Kandidatur bei der Nationalratswahl verzichtete er, 2014 zog er sich aus der Politik zurück und beruflich nach Deutschland, wo er als Volkswirt in Düsseldorf und Berlin arbeitete. Fünf Jahre später übersiedelte er zurück nach Wien, wurde Vater eines Sohnes und unterrichtet seither Internationale Makroökonomie an einer Fachhochschule in Wien. Seit zwei Jahren engagiert er sich auch wieder politisch als Vizeparteivorsitzender seiner Bezirkspartei.
Auch öffentlich meldete er sich seither immer wieder zu Wort: in seinem Videoblog "Tacheles", in Interviews oder Zeitungskommentaren. Seine Positionen gelten innerhalb der SPÖ als progressiv: Er setzt sich etwa für Deglobalisierung ein und will, dass Menschen, die lange in Österreich leben, hier wählen dürfen, auch wenn sie keine Staatsbürgerschaft besitzen. Innerparteiliche Demokratie ist eines seiner Hauptanliegen: So forderte er einst eine Urabstimmung aller Mitglieder über mögliche Regierungskoalitionen der SPÖ.
Mit seiner Kandidatur stellt Kowall nun die demokratischen Strukturen der SPÖ auf die Probe. Aber geht es ihm nur darum, die Spielregeln zu ändern, oder will er auch gewinnen? Wird er womöglich tatsächlich SPÖ-Chef? Kowall sagt dazu: "Ich meine es ernst."
Veronika Dolna