Die Wirtschaftskammer (WKO) blickt weiterhin besorgt in die Zukunft. Entwickelt sich der Arbeitsmarkt wie bisher, könnte es bis 2040 mehr als 550.000 offene Stellen in Österreich geben, rechnete die Kammer vor. Das betrifft neben der Privatwirtschaft auch den öffentlichen Dienst.

"Wenn nicht gegengesteuert wird, kostet uns das alle", sagte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer am Dienstag bei einem Pressegespräch. Er fordert einen Schulterschluss von Politik und Sozialpartnerschaft - und ein Ende der "Märchenerzählung, dass es uns mit einer Arbeitszeitreduktion für alle besser geht".

Arbeitskräftemangel naht

Das Gegenteil sei der Fall, argumentiert Mahrer: Schon heute würde Österreich auf einen massiven Arbeitskräftemangel zusteuern. Die WKO hat sich mit Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo und Zahlen der Statistik Austria den "Arbeitsmarkt der Zukunft" ausgerechnet. Dieser wird vor allem durch einen Mangel getrieben. In allen Branchen würde Arbeitskraft fehlen. So könnten etwa 10.000 zusätzliche Lehrerinnen und Erzieher gesucht werden. Das sind so viele, wie zurzeit insgesamt in Oberösterreich und Niederösterreich unterrichten.

Die Wirtschaftskammer hat den zusätzlichen Personalbedarf auf Branchen heruntergebrochen: Bis 2040 könnte jeder zehnte Arbeitsplatz nicht mehr besetzt werden
Die Wirtschaftskammer hat den zusätzlichen Personalbedarf auf Branchen heruntergebrochen: Bis 2040 könnte jeder zehnte Arbeitsplatz nicht mehr besetzt werden © WKO

Grund dafür ist die demografische Entwicklung. Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65) erreicht heuer ihren Höhepunkt, bis 2040 würde sie um knapp 244000 Personen sinken. Gleichzeitig würde der Anteil der über 65-Jährigen stark ansteigen: 2040 wäre mehr als jede vierte Person in Österreich im pensionsreifen Alter. Aktuell ist es nur jede Fünfte. Dass etwa die Stadt Wien bis 2030 21.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suche, seien "Schlagzeilen, an die wir uns gewöhnen werden müssen", sagte Mahrer daher.

Ausländische Fachkräfte bleiben zu Hause

Hinzu kämen Einflussfaktoren von außen, erklärte der Wirtschaftskammer-Präsident: Die osteuropäischen Arbeitsmärkte würden sich angleichen. In Österreich zu arbeiten, sei für Osteuropäerinnen und -europäer daher weniger attraktiv. Der Krieg in der Ukraine sorge etwa dafür, dass Russlands Nachbarländern mehr Geld in die Landesverteidigung stecken - und so erneut Arbeitskräfte im eigenen Land bündeln. Auch das Coronavirus hätte viele ausländische Arbeitskräfte vom Verbleib in ihrer Heimat überzeugt.

Das will der Wirtschaftskammer-Präsident nur teilweise verändern: "Wir wollen uns aussuchen, welche Menschen mit welchen Qualifikationen zum Arbeiten zu uns kommen". Diese müssten nicht zwangsweise dauerhaft in Österreich bleiben, mit Gastarbeitern habe man in den 60er und 70er Jahren gute Erfahrungen gemacht, sagte Mahrer. Er fordert, Pilotprojekte etwa in Vietnam oder auf den Philippinen auszuweiten. Dort könnten österreichische Firmen Fachkräfte ausbilden und diese dann mit eigener Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen nach Österreich holen.

Mehr Kinderbetreuung, mehr Arbeit

"Wir brauchen eine Debatte darüber, was jeder einzelne dazu beitragen kann", findet der Wirtschaftskammer-Präsident. Besonders ins Auge fasst er dabei Arbeiterinnen und Angestellte: Man müsse Anreize für echte Wahlfreiheit hin zur Vollzeit schaffen und etwa Kinderbetreuung verbessern, Überstunden attraktiveren und die Pensionsversicherungsbeiträge für Menschen, die auch mit 65 weiterarbeiten wollen, streichen.

Die Vier-Tage-Woche sei hingegen eine "super Geschichte, die man in Grimms Märchenbuch schreiben kann". Durch eine politisch erzwungene 32-Stunden-Woche würden 434 Millionen Arbeitsstunden fehlen, "das ist ein volkswirtschaftliches Todesurteil", zeigte sich Mahrer überzeugt. Denn weniger Lohn bedeute nicht nur weniger Pension, viele Güter und Dienstleistungen ließen sich dann nicht mehr anbieten.

Bereits in der Prognose für 2040 würden trotz 5-Tages-Woche durch die wegfallende Arbeitskraft 150 Milliarden Euro an Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträgen fehlen. Dem Land Steiermark würden so bis 2040 zusammengerechnet etwa 3,5 Milliarden Euro fehlen, Kärnten 1,7 Milliarden. An Sozialversicherungsbeiträgen würden 66 Milliarden Euro wegfallen.