Gleich mehrere Punkte aus dem schwarz-blauen Regierungsprogramm für Niederösterreich sorgen österreichweit für Diskussionen: Neben der Ankündigung, Coronastrafen zurückzahlen zu wollen, wollen ÖVP und FPÖ auch Deutsch als Pausensprache an Schulen etablieren und nur Wirtshäuser mit einem "traditionellen" Speisenangebot fördern.
Aber ist das überhaupt möglich?
1 Rückzahlung von Coronastrafen
Im Arbeitsübereinkommen heißt es: "Das Land Niederösterreich wird jene – wegen Verletzung von Coronabeschränkungen bezahlten – Strafgelder von Amtes wegen an die Betroffenen persönlich rückerstatten, die aufgrund von Bestimmungen verhängt wurden, die in der Folge vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden sind."
An sich gilt in Österreich der Grundsatz, dass einmal verhängte Verwaltungsstrafen bleiben, auch wenn der Verfassungsgerichtshof die zugrunde liegenden Gesetze im Nachhinein aufhebt. Einzig, wer ein Gesetz mit seinem Strafbescheid vor dem VfGH zu Fall gebracht hat, bekommt das Geld als "Finderprämie" zurück.
Die Schwierigkeit hier liegt darin, dass die Strafen wegen Verstoßes gegen Covid-19-Maßnahmen technisch gesehen Bundesstrafen sind, die von Einrichtungen des Landes, die BHs und Magistrate, verhängt worden sind. Hoheitsrechtlich kann Niederösterreich also nicht ohne Zustimmung des Bundes (etwa von Gesundheitsminister Johannes Rauch, Grüne) diese Strafen negieren.
Das ließe sich aber umgehen, erklärt Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Wenn Niederösterreich die Rückerstattung nicht als Hoheitsverwaltung, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung anlege – quasi als "Förderung für Coronastrafen-Geschädigte" –, wäre denkbar, dass es dafür Spielraum gibt.
Klar sei aber, dass eine entsprechende Auszahlung dem Sachlichkeitsgebot genügen müsse. Und ob die Rückzahlung von Amtes wegen möglich ist – etwa, ob die BHs überhaupt alle Unterlagen für eine Rückerstattung lagernd haben –, müsse erst geprüft werden.
Die Bundesregierung, die sich in ersten Reaktionen kritisch gegenüber dem Vorhaben gezeigt hat, könnte die Maßnahme aber ihrerseits prüfen lassen. Sie kann jedes Landesgesetz – etwa jenes zur Einrichtung des Rückerstattungsfonds – vor den Verfassungsgerichtshof bringen.
2 Deutsch am Schulhof
Nicht nur im Unterricht, sondern auch in den Pausen soll in Schulen Deutsch gesprochen werden. Dieses politische Ziel aus dem niederösterreichischen Arbeitsübereinkommen nimmt Anleihe am ebenfalls schwarz-blau regierten Nachbarbundesland: In Oberösterreich versucht die FPÖ seit 2010, eine Deutschpflicht in den Pausen durchzusetzen. Ein solcher Erlass wäre allerdings Sache des Bildungsministers – und dort sind die oberösterreichischen Regierungsparteien insgesamt achtmal abgeblitzt. "Wie stellt man sich das vor? Der Klassenlehrer geht wie ein Spitzel in der Pause herum und kontrolliert, wie die Schüler sprechen?", kommentierte einst ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann die Idee.
In Niederösterreich will man das deshalb ohne Bund regeln, und zwar "durch die bewusste Entscheidung der Schulen, Deutsch als Pausensprache in der Hausordnung festzulegen", wie es im Programm heißt. Doch in den Schulen regt sich bereits Widerstand: Wolfgang Bodai, Direktor der HTL Hollabrunn (NÖ) und Sprecher der BHS-Direktorinnen und -Direktoren, sieht darin einen Widerspruch zur Schulautonomie, der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) hält den Plan für "weder zielführend noch machbar" und die Sprecherin der AHS-Direktoren, Isabella Zins, sagt: "Das ist vielleicht eine Schlagzeile oder eine Headline in einem Regierungspapier, aber etwas, das nicht umsetzbar ist."
3 Förderung nur für klassische Wirtshäuser
"Um die Wirtshauskultur auch in Zeiten der Teuerung aufrechtzuerhalten, wird eine Wirtshausprämie erarbeitet. Voraussetzung ist, dass der neue Wirt ein traditionelles und regionales Speisenangebot aufweist", nimmt sich Schwarz-Blau vor.
Juristisch hat die öffentliche Hand bei der Ausgestaltung von Förderungen generell viel Spielraum: Ob sie Skisport stärker fördert als Curling oder Symphonieorchester gegenüber Rockbands bevorzugt, ist eine politische Entscheidung.
Und genauso könne die Landespolitik auch entscheiden, ob sie traditionelle Wirtshäuser gegenüber Fast-Food-Läden oder Kebabständen bevorzugt, heißt es aus Juristenkreisen. Solange auf sachliche Kriterien abgestellt wird – etwa ein bestimmtes Speisenangebot – und nicht auf die Bevorzugung einzelner Nationalitäten (auch Italiener und Griechen müssten die Förderung bekommen, wenn sie die entsprechenden Speisen anbieten), wäre ein entsprechendes Modell schon möglich, schreibt Bußjäger auf Twitter – und verweist darauf, dass es eine solche Förderung in Tirol schon seit 2017 gibt.