72 Stunden nach seiner Kanzlerrede versuchte Karl Nehammer in einem Hintergrundgespräch mit Chefredakteuren den Eindruck zu widerlegen, seine Kanzlerrede am letzten Freitag im 35. Stockwerk der Wienerberger Twin Towers komme einer Kriegserklärung an die Grünen gleich und bilde die Absprungbasis für vorgezogene Neuwahlen im Herbst oder im Frühjahr 2024. "Ich habe mit (Grünen-Chef Werner) Kogler vorher gesprochen", so Nehammer, der später hinzufügte, auch Klubobfrau Sigi Maurer habe er informiert, dass er Themen ansprechen würde, die den Grünen gegen den Strich gehen würden. Die Zusammenarbeit mit den Grünen sei eine gute.

Der Kanzler erinnerte daran, dass auch die Grünen immer wieder Positionen einnehmen würden, die nicht im Einklang mit der ÖVP stünden: "Denken Sie an Gewessler und Verbot, Straßen zu bauen, oder Kogler bei der Vermögenssteuer." Die ÖVP sei mitterechts. "Jede politische Partei hat eine andere politische Mission. So wie es die Grünen machen, machen wir es auch."

Einmal mehr erklärte Nehammer, dass er den Klimawandel in keiner Weise herunterspiele, allerdings: Die "Untergangsszenarien sind wissenschaftlich nicht belegt." Man werde den wissenschaftlichen Befund "nicht finden, dass Milliarden Menschen sterben", bekräftigte er. "Mir geht’s nicht darum, irgendetwas zu relativieren, aber mein Zugang ist der Blick nach vorne." Und: "Es braucht Zukunftsansagen, keine Untergangsansagen."  Die Naturkatastrophen würden nicht verschwinden, Aufgabe der Politik sei es, Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Bei der E-Mobility laufe Europa Gefahr, von einer Abhängigkeit in die nächste zu schlittern – nicht nur hier, auch bei Solarpaneelen sei China Weltmarktführer.

Mit Kogler habe er – im Vorfeld des Pressegesprächs im Kanzleramt – die Themen definiert, die man bis zum Ende der Legislaturperiode abarbeiten werde: die Frage des Ärztemangels, wie man genügend Pflegekräfte findet, wie eine Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr garantiert werden kann, die Idee einer Gratis-Meisterprüfung, die Zweckwidmung der Wohnbauförderung, Fragen der Sicherheitspolitik.

Andere Fragen werde man, so Nehammer, nicht in dieser Legislaturperiode, sondern innerhalb der nächsten Koalition lösen: die Frage, wie man den Klimawandel in den Griff bekomme, mit oder ohne Verbrennungsmotor, das Kürzen der Sozialleistungen für Asylwerber, Abgabensenkungen, Anreize für Arbeiten über 65.  Ob das inhaltlich nicht auf einer Koalition mit der FPÖ hinauslaufe? "Ich sehe auch viele Überschneidungen mit der SPÖ", konterte Nehammer sofort.