Warum sollen Sozialleistungen gekürzt werden?
Um zur Arbeit zu motivieren, solle die Schere zwischen dem Einkommen aus Arbeit und dem Beziehen von Sozialleistungen wieder größer werden, befand Nehammer. Während durch steuerliche Entlastung die Einkommen steigen sollen, will der ÖVP-Chef auch nach unten drücken.
Arbeitslosengeld
Das Arbeitslosengeld solle degressiv gestaltet werden, also mit einem höheren Startbetrag beginnen und dann deutlich absinken. Davon soll die Gruppe der über 50-Jährigen aber nicht betroffen sein. Eine Reform der Arbeitslosenversicherung war erst im Dezember letztes Jahr gescheitert, Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) rechnete nicht mehr mit einer Novelle in dieser Legislaturperiode.
Gleichzeitig will Nehammer, dass nur, wer mindestens fünf Jahre lang durchgehend in Österreich lebt, Sozialleistungen beziehen darf – und ansonsten nur die Hälfte erhält. In der jetzigen Koalition mit den Grünen wird Nehammer dieses Ziel wohl nicht erreichen: "Die Ideen der ÖVP sind – soweit bekannt – rechtlich kaum umsetzbar, da es sich bei den meisten Leistungen um Versicherungsleistungen handelt", hieß es am Sonntag gegenüber der ZIB 2 aus dem Grünen-Parlamentsklub. Soziale Sicherheit sei für die Grünen nicht verhandelbar.
Wie will Nehammer für Entlastung sorgen?
Die Steuer- und Abgabenquote solle bis 2030 von 42 Prozent auf unter 40 Prozent gesenkt werden, sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Freitag. Die Forderung ist nicht neu, im Gegenteil: Sie steht bereits im türkis-grünen Regierungsprogramm. Offen ist, bei welchen Steuern und Abgaben die Volkspartei genau entlasten möchte – und wie die fehlenden Einnahmen zurück in das Haushaltsbudget kommen sollen.
Budget
Denn Österreich werde "mit dem Defizit zurückfahren müssen", sagte Fiskalrat-Chef Christoph Badelt zuletzt in der ORF-"Pressestunde". Aktuell werden aufgrund der hohen Inflation zwar Rekordeinnahmen verzeichnet, aber auch die Ausgaben sind auf einem Allzeithoch – und mit der ökosozialen Steuerreform letztes Jahr wurde langfristig auf Einnahmen verzichtet. So haben ÖVP und Grüne etwa die kalte Progression abgeschafft. Mit 1. Juli letzten Jahres wurde die zweite Tarifstufe der Lohn- und Einkommensteuer von 35 auf 30 Prozent gesenkt, die dritte Stufe folgt mit Juli dieses Jahres. Für Firmen sinkt die Körperschaftssteuer (KÖSt) 2023 auf 24 Prozent und 2024 auf 23 Prozent.
Fiskalrat-Chef Badelt hält die Senkung der KÖSt für einen "Fehler": "Wenn man die Unternehmen entlasten will, dann bitte doch bei den Lohnnebenkosten." Zuletzt wurde zu Jahresbeginn der Dienstgeberbeitrag zum Familienausgleichsfonds von 3,9 Prozent auf 3,7 Prozent reduziert. Dass Arbeitsminister Kocher hier gerne weiter entlasten würde, ist bekannt.
Lohnnebenkosten
Das Problem: Neben Leistungen, von denen der Arbeitnehmer direkt profitiert, wie Kranken-, Urlaubs-, Weihnachtsgeld oder Pensionsversicherung, beinhalten die Lohnnebenkosten auch Leistungen für die Allgemeinheit wie Kommunalabgaben, Arbeitslosenversicherung oder für den Familienlastenausgleichsfonds (Flaf), mit dem etwa das Kindergeld ausgezahlt wird. Will man auf diese Leistungen nicht verzichten, müsste der Staat aus dem Bundesbudget einspringen. Der Ökonom Badelt schlug etwa Vermögenszuwachssteuern vor. In Nehammers Rede zur Zukunft der Nation kam dergleichen nicht vor.
Wie soll länger gearbeitet werden?
Eine weitere Möglichkeit, mehr Geld in das Budget zu spülen, wäre es, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Zum länger Arbeiten zwingen will Nehammer niemanden. Stattdessen sollen Anreize geschaffen werden, die Arbeit auch mit über 65 attraktiv machen. Welche das genau sein sollen, arbeitet zurzeit eine Kommission für die Regierung aus.
Arbeitskräftemangel
Die Wünsche der Wirtschaft sind klar: Anreize für Mehrarbeit durch steuerfreie Überstunden, steuerfreies Einkommen für jene, die nach dem Pensionsantrittsalter weiterarbeiten wollen, und einen Ausbau der Kinderbetreuung, forderte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer erst am Sonntag erneut. Den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung forderte Nehammer auch in seiner Rede – er findet sich auch im türkis-grünen Regierungsprogramm. Entsprechend machbar sollte daher diese Umsetzung sein.
Maximilian Miller