Es ist fast schon unwägbares Gelände für die niederösterreichische ÖVP. Die Partei, die das Bundesland von 1945 bis 1993 und seit 2003 absolut regierte, muss sich mit Koalitionsverhandlungen herumschlagen. Es erweist sich als gar nicht so leicht, einen Juniorpartner zu finden: Die Verhandlungen mit der SPÖ sind geplatzt, nachdem deren Parteichef sechs Bedingungen aufgestellt hatte, und in einem Interview mit der "Zeit" sagte: "Bevor ich ein Übereinkommen unterzeichne, in dem nicht alle diese Punkte enthalten sind, hacke ich mir die Hand ab."
Daraufhin erklärte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, dass die SPÖ bewusst unüberwindbare Hürden aufbauen. Die ÖVP werde nun "konkrete Inhalte mit der FPÖ ausloten." In einer Aussendung ließ Hergovich wissen, dass er den Schritt zur Kenntnis nehme, und weiter: "Wir stehen selbstverständlich weiterhin jederzeit für konstruktive Verhandlungen mit der ÖVP bereit."
SPÖ-Chef wollte Wort halten
Auch in der ZIB2 am Donnerstag zeigte sich Hergovich vom Verhandlungsende wenig beeindruckt: Er sei überrascht, dass seine martialische Aussage in der "Zeit" überrascht habe: "Ich habe nichts anderes gesagt, als dass ich mein Wort halten werde" - und er daher kein Abkommen unterzeichnen werde, in dem seine bereits auf fünf Punkte reduzierten Kernforderungen nicht enthalten sind.
Mit österreichischer "Hinterzimmer-Politik" wolle er "bewusst brechen", erklärte der SPÖ-Niederösterreich-Chef - und es sei "total okay", dass die ÖVP nun mit der FPÖ verhandle. Am allerwichtigsten sei ihm, das zu halten, was er den Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern versprochen haben, so Hergovich.
ÖVP auf Partnersuche
Womöglich hofft Niederösterreichs SPÖ-Chef auch, dass ÖVP-Obfrau Mikl-Leitner mit den Freiheitlichen noch mehr Schwierigkeiten haben wird. Einerseits sorgten zuletzt sowohl der blaue Landeschef Udo Landbauer als auch Asyl-Landesrat Gottfried Waldhäusl mit ausländerfeindlichen Aussagen für Aufregung. Andererseits hatte die FPÖ bis zuletzt ausgeschlossen, Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau zu wählen. Auch am heutigen Donnerstag erinnerte sich Landbauer auf Facebook selbst an sein Versprechen, die Landeshauptfrau nicht zu bestätigen. Das Posting wurde inzwischen gelöscht.
Kompromissloser Chef mit Vorbild im Burgenland
Der 34-jährige Hergovich, der nach den Wahlen im Jänner Franz Schnabl beerbte, hat öffentlich Bedingungen für die Koalition gestellt. Sechs Forderungen sind es, dazu zählen die Einführung einer kostenlosen Kinderbetreuung der unter Sechsjährigen auch am Nachmittag, ein Heizpreisstopp und die Anstellung von pflegenden Angehörigen.
Es gibt ein Vorbild für diese Forderungen: Das Burgenland stellt seit 2019 pflegende Angehörige als Landesbedienstete an, im Vorjahr beschloss die rote Landesregierung von Hans-Peter Doskozil eine Form des Heizkostendeckels. Haushalte mit einem Einkommen von unter 33.000 Euro müssen seither maximal vier Prozent davon für Wärme bezahlen, bei einem Einkommen von bis 43.000 Euro sind es fünf Prozent, bei bis zu 63.000 Euro sechs, den Rest schießt das Land zu. Die niederösterreichische SP schlägt auf Nachfrage exakt das gleiche Modell vor.
Der Weg zum gemeinsamen Strang
In der "Zeit" wollte sich Hergovich allerdings zu keiner Fraktion der aktuell laufenden Führungsdebatte bekennen. Er glaube zwar nicht, dass Doskozil an der Wahlniederlage in Kärnten schuld habe, aber: "Ich bin nicht in der Position, anderen Ratschläge zu geben, ich muss mich auf meinen Job konzentrieren und zeigen, wie es besser geht."
Und auch in der ZIB2 versuchte der frühere AMS-Chef, sich aus der Debatte herauszuhalten: Sinnvoll sei jeder Weg, "wo wir nachher wieder alle gemeinsam an einem Strang ziehen können". Ob dieser Weg über eine Mitgliederbefragung, einen Sonderparteitag mit Kampfabstimmung oder eine Lösung im Bundesparteipräsidium führe, sei "gar nicht wichtig". Überhaupt gehe es in "weniger um Personen in der Politik, sondern mehr um Inhalte", erklärte Hergovich.
Moritz Ablinger