Die Zahl der Mitarbeiter in den Kabinetten der Ministerien steigt weiter. Das geht aus einer Anfragenserie des Kärntner Nationalratsabgeordneten Philip Kucher (SPÖ) hervor, die der Kleinen Zeitung vorliegt. Demnach waren mit Jahresende 247 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerbüros beschäftigt – um 21 mehr als zwei Jahre zuvor unter Bundeskanzler Sebastian Kurz.
"Je schlechter die Umfragen, desto mehr Mitarbeiter braucht die Regierung", sagt Kucher: "Zumindest gewinnt man den Eindruck, wenn man sich die Zahlen ansieht." Für die Regierung stellt sich der Sachverhalt anders dar. Aus dem Bundeskanzleramt heißt es, dass der hohe Stand der Personalausstattung zuletzt auf die Coronapandemie und die darauf folgenden Krisen zurückzuführen sei. Diese hätten Neuanstellungen in den Kabinetten unvermeidbar gemacht.
Entwicklung seit den 1990ern
Fest steht allerdings auch, dass die Kabinette nicht erst seit Corona wachsen. 2017 hatte die Große Koalition mit Kanzler Christian Kern 163 Mitarbeiter. Im Jahr darauf waren es unter der türkis-blauen Regierung 220 und damit knapp 35 Prozent mehr. "Unter Kurz sind die Mitarbeiterstäbe explodiert", sagt Politikwissenschaftler Hubert Sickinger.
Zu den erfassten Jobs in Ministerbüros zählen Pressesprecher, die Kabinettschefs, deren Stellvertreter, und Referenten, die die Minister fachlich beraten sollen. Sekretäre und Chauffeure sind aus den Zahlen der Anfragen explizit ausgenommen. Auch die Generalsekretäre der Ministerien, die Türkis-Blau einführte und noch immer in manchen Kabinetten das Sagen haben, werden nicht berücksichtigt.
Entmachtung der Beamten
Auch, denn der Trend sich seit der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz manifestiert, hat er ihn nicht erfunden. "Das hat in den 1990er-Jahren angefangen", sagt Politikwissenschaftler Sickinger. Damals habe man in der Verwaltung – und damit auch bei den Fachbeamten in den Kabinetten –, zu sparen begonnen. Die Minister hätten daraufhin angefangen, in ihren Büros personell aufzurüsten. "Die Beamten, die über ein ungeheures Wissen verfügten, wurden durch politisch steuerbare Mitarbeiter ersetzt", sagt Sickinger.
Parlamentarische Anfragen der Opposition zur Anzahl der Mitarbeiter in den Ministerbüros gehören seither zur Tradition. Die Anfragen, die momentan Kucher stellt, stellten in der Vergangenheit Nikolaus Scherak von den Neos, davor der Grüne Karl Öllinger und Peter Kostelka von der SPÖ. Die Datenlage ist daher gut, aufgrund unterschiedlicher Dienstverhältnisse und Karenzierungen aber nicht immer exakt vergleichbar.
Spitzenjuristen gegen "Politisierung" der Verwaltung
Die Tendenz ist jedenfalls eindeutig: 118 Mitarbeiter waren es im Dezember 2000, ein dreiviertel Jahr, nachdem Wolfgang Schüssel ins Bundeskanzleramt eingezogen war. Auf 163 stieg die Zahl bis zum Ende der Schwarz-Blau-Orangen Regierungszeit an. Besonders in den BZÖ-geführten Ministerien wurde der Personalstab ziemlich aufgebläht worden, die meisten Mitarbeiter hatten Vizekanzler Hubert Gorbach mit 18 und Parteikollegin sowie Sozialministerin Ursula Haubner mit zwölf. Nur kurzfristig sank die Zahl danach wieder.
147 Mitarbeiter hatte die Regierung von Alfred Gusenbauer 2007 – es war der erste Rückgang seit 1997. Danach ging die Zahl allerdings wieder nach oben, auf 151 unter Werner Faymann 2010 und die bereits erwähnten 163 unter Kern. "Alle Regierungspartei der letzten Jahrzehnte haben ihre Kabinette aufgeblasen", sagt Sickinger: "Es ist eine bedenkliche Entwicklung."
Die "Verpolitisierung" habe die Motivation im Verwaltungsapparat geschwächt, stellt auch die Initiative "Bessere Verwaltung" fest, der unter anderem die Spitzenjuristen Clemens Jabloner, Irmgard Griss oder Heinz Mayer angehören. Sie wollen demnächst Reformvorschläge präsentieren.
Update, 20. Februar, 15:15: In einer ersten Fassung dieses Textes wurde Hubert Sickinger hinsichtlich der wachsenden Kabinette unter Kanzler Kurz mit der Aussage zitiert: "Wo davor ein Pressesprecher gesessen ist, waren auf einmal drei." Es handelte sich dabei um ein Missverständnis. Sickingers Ausführungen bezogen sich allgemeiner auf die Pressearbeit der Ministerien.
Moritz Ablinger