Herr Präsident, Österreichs Gemeinden haben 2022 7,3 Prozent mehr eingenommen. Warum sagen Sie jetzt schon wieder, wir brauchen mehr Geld?
ALFRED RIEDL: Wenn wir das fair darstellen wollen, müssen wir mit 2019 vergleichen. 2020 ist die Konjunktur eingebrochen, wir haben mit einem Investitionsprogramm gegengesteuert, das hat gut funktioniert, 2022 gab es einen neuen Einbruch und wieder Hilfen des Bundes.
Wie kommen wir aus diesem Zyklus heraus, dass es jedes Jahr ein neues Hilfspaket braucht?
Das wird es sowieso nicht spielen. Aber man muss Prioritäten setzen. Nehmen wir Pflege oder Kinderbetreuung. Wenn ich dort 15 bis 20 Prozent mehr brauche, weil die Bundespolitik neue Vorgaben macht: Das Geld haben wir schlicht nicht. Entweder der Bund übernimmt das oder er sagt, da habt ihr das Geld und damit macht ihr das. An allen Ecken und Enden fehlen Mitarbeiter, kurzfristige Zuschüsse sind da keine Lösung.
Pflege, Spitäler, Kinderbetreuung: Die Leute werden älter, Ansprüche an Kinderbetreuung steigen. Woher soll das Geld kommen?
Wir müssen uns fragen, was muss der Staat erledigen. Das wird nicht jeder gerne hören, aber Österreich leistet sich z. B. bei der Familienpolitik zwei Versprechen: Auf der einen Seite gibt es Unmengen Geld für die Familien, das dazu da wäre, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich die Sachleistung einzukaufen. Jetzt stellt die Politik den Eltern gleichzeitig die Sachleistung zur Verfügung – das ist halt Tagespolitik, zu sagen, Kinderbetreuung darf nichts kosten. Entweder Geld oder Sachleistung, irgendwann wird die Politik die Antwort geben müssen.
Der Staat muss schauen, welche Leistungen fahre ich zurück?
Was tut ein Unternehmer in der Situation? Er überlegt sich, welche Aufgaben sind wichtig, damit das Werk weiterläuft, was stelle ich zurück. Nehmen wir mein voriges Beispiel: Hier hat die Politik den Leuten eine Doppelgleisigkeit versprochen, die es in keinem anderen Land in dem Ausmaß gibt. Jetzt müsstest du einen Politiker finden, der den Leuten sagt, die Geldleistung gibt es jetzt nicht mehr, wenn die Sachleistung gratis ist.
Das ist nicht realistisch.
Der Meinung bin ich auch. Da wird niemand hingreifen, aber das soll ein Beispiel dafür sein, was man sich genau anschauen müsste. Genau dasselbe im Gesundheitssystem, wo der Anspruch herrscht, mir steht immer das Beste zu, auch wenn es sehr teuer ist. Das kann der Staat nicht alles leisten.
Aber wer sagt das dem Wähler?
Das will eben keiner hören. Bei der Kinderbetreuung bin ich insofern frustriert, weil jetzt auf einmal die Wirtschaft kommt und sagt, bauts aus, weil wir brauchen die Arbeitskräfte. Wir haben die letzten Jahre stark ausgebaut, aber die Teilzeitquote der Frauen ist noch gestiegen.
Also: Niemand wird Leistungen kürzen oder neue Steuern schaffen – wo kommt das Geld her?
Die Gemeinden brauchen nicht grundsätzlich mehr Geld – aber wenn der Bund will, dass wir mehr Aufgaben übernehmen, wird er das Geld zur Verfügung stellen müssen.
Türkis-grün will neue Transparenzregeln, es heißt, die Gemeinden bremsen. Ist das so?
Ich bin da immer giftig oder grantig, dass das so dargestellt wird. Nicht nur der Gemeindebund, auch die meisten Ministerien, die Länder, der ORF, Medienhäuser, die Sozialversicherungen usw. haben den Entwurf kritisiert. Die Gemeinden sind für volle Transparenz. Wir haben immer gesagt: Sagt uns, was wir öffentlich stellen sollen und gebt uns das dazu nötige Register, aber dann lasst ihr uns auch schon in Ruh mit weiteren Interpretationsfragen.
Also keine Auskunftspflicht?
Wir haben ein Problem mit der Abwägungspflicht, welche Informationen preisgegeben werden müssen und welche nicht. Wenn du da einen mit einem verdichteten Rechtsverständnis hast, der legt dir die ganze Bude lahm.
Georg Renner