Alexander Schallenberg ist zufrieden. "Es gibt hier eine Riesenanerkennung für das, was wir leisten", erklärt der Außenminister stolz, als er den schwer bewachten Amtssitz seines US-Amtskollegen Antony Blinken in Washington DC verlässt. Eine Stunde lang hatte er sich – um 16.30 Uhr Ortszeit (22.30 Uhr) – mit Blinken und dessen Delegation an einer langen Tafel im obersten Stock des "State Departments" ausgetauscht. Vor mit goldenem Emblem versehenen Kaffeetassen freute sich der Gastgeber über den österreichischen Besuch, man habe viel zu besprechen.
Schallenberg war für knapp 30 Stunden in die amerikanische Hauptstadt gereist, "um die strategische Partnerschaft" zwischen den beiden Ländern zu stärken. Man habe diese "zu lange als selbstverständlich angesehen". Nun müsse man wieder zusammenstehen. "Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, zu wissen, wer deine Partner sind", erklärte Schallenberg im Vorfeld. Und Krisen gibt es aktuell genug.
"Ihr seid neutral, ohne neutral zu sein"
Der bald ein Jahr dauernde Krieg in der Ukraine hatte auch die USA zu milliardenschweren Hilfspaketen veranlasst. Österreichs enge Beziehungen zu Russland wurden in den Staaten zuletzt mit Argwohn betrachtet, heute werde man aber vor allem für die geleistete Hilfe wahrgenommen, berichtet Schallenberg nach seinem Treffen. "Ihr seid neutral, ohne neutral zu sein", habe ihm Blinken in Bezug auf Österreichs militärische, aber nicht politische Neutralität im Konflikt attestiert. Natürlich komme es hier auch unter Partnern zu Meinungsverschiedenheiten, räumte der Minister ein. Diese seien jedoch "kein Zeichen von Schwäche". Dass man nun über diese spreche, um Konflikte zu vermeiden, offenbare "eine wichtige neue Tonalität".
Mit Konflikten kennt sich Schallenbergs Gegenüber aus. Zuletzt hatten sich die ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den USA und China massiv verschlechtert. Blinken hatte vergangene Woche im letzten Moment einen Besuch bei der chinesischen Staatsspitze abgesagt – wegen eines weißen Ballons, der über diversen US-Bundesstaaten flog. In Washington attestierte man Peking umgehend Spionageabsichten, dort wurde beteuert, dass es sich lediglich um einen vom Kurs abgekommenen Forschungsballon handle. Die Empörung auf beiden Seiten war groß, US-Präsident Joe Biden sprach bei seiner Ansprache zur Lage der Nation sogar eine Warnung in Richtung Peking aus. Und mit der Lage im Iran und im Nahen Osten beschäftigen den grau melierten Chef-Diplomaten Blinken weitere Baustellen.
Österreich "führender Partner am Westbalkan"
Besonderes Interesse zeigte der bekennende Verfechter des Multilateralismus auch für den Westbalkan. Österreich sehe man hier als "führenden Partner", wie Blinken in den Prunkräumen seines Ministeriums erklärt. Schallenberg bezeichnet die Amerikaner hier als "wesentliche und wichtige Alliierte". Man habe verstanden, dass hier nur gemeinsames Agieren wachsenden Einfluss von China und Russland verhindern und "die Nachbarn an uns binden" könne. Für Europa hat Blinken auch aus persönlichen Gründen ein offenes Ohr. Der in der Nähe von New York City geborene Absolvent der Eliteunis Harvard und Columbia ging in Paris zur Schule und arbeitete dort später als Anwalt.
Tausende Kilometer von Europa entfernt, ist das Programm von Schallenbergs Kurzbesuch straff. Zwischen Ankunft und Treffen mit Spitzenvertretern von Nachrichtendiensten und Studenten der John-Hopkins-Universität läuft Schallenberg auf der Pennsylvania Avenue vor dessen Hotel einem vorbeieilenden Robert Habeck über den Weg. Der deutsche Wirtschaftsminister hatte Blinken zwei Stunden vor Schallenberg die Hand geschüttelt. Stippvisiten wie diese soll es laut Schallenberg künftig öfter geben, verkündet er, bevor er in den schwarzen Wagen steigt, der ihn zum kurzen Abendessen vor dem Rückflug bringt. Denn die Entscheidungen, die man nun treffe, werden die kommenden Jahre maßgeblich prägen.
(Hinweis: Diese Reise fand auf Teileinladung des Außenministeriums statt.)