Am Tag nach der niederösterreichischen Landtagswahl muss die ÖVP in ihrem einstigen Kernland nun erstmals verhandeln, um ein Arbeitsübereinkommen mit SPÖ oder FPÖ zustande zu kommen. FPÖ-Chef Udo Landbauer hat bereits angekündigt, Johanna Mikl-Leitner nicht zur Landeshauptfrau zu wählen. SPÖ-Chef Franz Schnabl will in Verhandlungen Bedingungen stellen: "Die kostenlose Kinderbetreuung ist für mich eine rote Linie", sagt er am Montagmorgen in Ö 1. Auch eine Wahlkampfkosten-Obergrenze fordert die SPÖ.

Ein Plus von rund 10 Prozentpunkten macht die FPÖ zur großen Gewinnerin des Wahlabends – auf Kosten der ÖVP. 72.000 Stimmen hat die ÖVP bei der Landtagswahl an die FPÖ verloren. Das ist ein Drittel aller Stimmen, die die Freiheitlichen insgesamt bekamen.

Die FPÖ konnte 68 Prozent ihrer Wähler der letzten Wahl erneut mobilisieren und holte sich neben vielen Stimmen der ÖVP auch 29.000 von der SPÖ. Das geht aus der SORA-Wählerstromanalyse hervor.

Nicht nur Asyl-Thema

Johanna Mikl-Leitner hat dafür eine Erklärung parat: Der FPÖ sei es gelungen, mit dem Thema Asyl aus der Landeswahl eine Bundeswahl zu machen. Politische Beobachter haben dazu aber andere Wahrnehmungen. Für Politikberater Thomas Hofer zeigt es, dass die FPÖ es geschafft habe, sich von einer monothematischen zu einer breit aufgestellten Partei zu entwickeln. "Die FPÖ nur auf das Thema Asyl zu reduzieren, ist ein großer Fehler", meint auch Meinungsforscher Peter Hajek. Das Thema Corona sei nach wie vor da, wenn auch weniger stark, und auch das neue Thema Nummer eins, die Teuerung, konnte die FPÖ besetzen. Dass es den Freiheitlichen in Niederösterreich gelungen sei, sich trotz eigener Affären in der jüngeren Vergangenheit als "Anti-Korruptionspartei" zu positionieren, ist für Hofer ein "Treppenwitz der Geschichte". Eines sei mit dem gestrigen Ergebnis aber klar: Kickl sitze fest im Sattel, betonte Hofer.

Der starke Stimmenzuwachs der FPÖ bei der derzeitigen Themenlage "sagt aber vielleicht mehr über die SPÖ als über die FPÖ aus", so Hofer. "Die SPÖ ist im Bund in Opposition, die ÖVP verliert zehn Prozentpunkte, und trotzdem kann man nicht einmal die Stimmen der letzten Wahl halten." Und das, obwohl "mit dem Teuerungsthema derzeit ein SPÖ-ureigenes Thema en vogue ist", betonte Hajek. Die Wahlmotive würden aber zeigen, dass dieses eher mit der FPÖ als mit der Sozialdemokratie in Verbindung gebracht werde. Die rote Parteispitze werde sich die Frage stellen, wie man bei einer künftigen Nationalratswahl wieder reüssieren könne. Dass diese internen Diskussionen schon in den nächsten Tagen nach außen getragen werden, glauben beide Experten nicht.

In der FPÖ macht man noch ein Ereignis für den Wahlerfolg mitverantwortlich: Die Ankündigung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Herbert Kickl nicht automatisch mit einer Regierungsbildung beauftragen zu wollen, sollte die FPÖ bei der nächsten Nationalratswahl den ersten Platz erreichen. Der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger bedankte sich beim Bundespräsidenten auf Twitter ausdrücklich dafür.

Finanzielle Auswirkungen

Die schwere Niederlage bei der niederösterreichischen Landtagswahl kostet die ÖVP allein heuer 1,6 Mio. Euro Parteien- und Klubförderung. Die blauen Stimmengewinne bringen der FPÖ und dem Landtagsklub hingegen 1,8 Mio. Euro zusätzlich. Die Grünen haben laut APA-Berechnungen Anspruch auf gut eine halbe Million Euro mehr pro Jahr – vor allem, weil sie mit dem vierten Mandat wieder Klubförderung erhalten.